Geliebte Feindin
nicht mehr durch den Schornstein in unser Zimmer kommst. Ich verspreche dir, daß ich die Tür nicht mehr verbarrikadieren werde«, fügte sie hinzu, als sie seinen ungläubigen Blick bemerkte.
»Durch was soll ich nicht mehr kommen?« wollte er wissen und war sicher, daß er sich verhört hatte.
»Durch den Schornstein«, wiederholte sie. »Du hast im übrigen meine Frage immer noch nicht beantwortet. Dauert diese Sache nun Minuten oder Stunden?«
Plötzlich hatte er kein Interesse mehr daran, dieser törichten Person zu erklären, daß die Luke kein Schornstein war. »Woher zum Teufel soll ich wissen, wie lange es dauert?« brummte er.
»Heißt das, daß du es noch nie gemacht hast?«
Nathan schloß die Augen. Dieses Gespräch geriet völlig außer Kontrolle.
»Also, hast du es schon getan?« beharrte Sara.
»Ja«, bekannte er widerwillig. »Aber ich habe noch nie auf die Zeit geachtet.« Er zog die Tür auf und bedachte Sara mit einem Lächeln.
Sie war hocherfreut über diesen raschen Stimmungsumschwung.
»Sara«, sagte er heiser. »Du wirst es bestimmt nicht scheußlich finden.« Mit diesem Versprechen schloß er die Tür hinter sich.
5
Sara bekam Nathan für den Rest des Tages nicht mehr zu Gesicht. Sie beschäftigte sich damit, in der Kajüte Ordnung zu schaffen und ihre restlichen Sachen aufzuräumen. Da sie keine Zofe hatte, machte sie das Bett selbst und staubte die Möbel ab. Sie borgte sich sogar einen Besen aus, um den Boden zu fegen. Als alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt war, erinnerte sie sich an den Sonnenschirm, den sie auf dem Deck liegengelassen hatte. Sie ging hinauf, aber sie fand ihn nirgendwo.
Als die Sonne im Meer versank, waren ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. So sehr sie sich auch das Gehirn zermarterte, ihr fiel nichts ein, was ihr einen Aufschub hätte gewähren können. Sie schämte sich ein wenig wegen ihrer Feigheit, und sie war sich bewußt, daß das Ereignis früher oder später stattfinden mußte und daß ihre Angst wahrscheinlich nur noch größer würde, je länger sie die Sache hinauszögerte. Aber das half ihr im Moment um keinen Deut weiter.
Als jemand an die Tür klopfte, hätte sie beinahe einen Schrei ausgestoßen. Aber sie gewann schnell die Fassung zurück, als ihr einfiel, daß Nathan sicher nicht anklopfen würde. Er hatte das Recht, hier aus und ein zu gehen, wie es ihm beliebte; es war seine Kajüte.
Sara stand auf und öffnete die Tür. Matthew stand vor ihr, und sie knickste artig, bevor sie ihn einlud einzutreten. Er beantwortete die Aufforderung mit einem Kopfschütteln. »Eure Tante erwartet Euren Besuch«, verkündete er. »Ich lasse die Badewanne herbringen, während Ihr Euch in Noras Kajüte aufhaltet. Der Captain meint, daß Ihr vielleicht gern baden würdet, und hat uns befohlen, Wasser heiß zu machen. Ihr werdet während der Reise nicht oft in den Genuß eines heißen Bades kommen. Ihr solltet es genießen.«
»Das war sehr aufmerksam von Nathan«, entgegnete Sara.
»Es wird ihn freuen, daß Ihr so denkt«, meinte Matthew, nur um überhaupt etwas zu sagen. Er kam sich in Saras Gegenwart tolpatschig vor und empfand eine lächerliche Scheu, weil sie ihn behandelte, als ob er mit Nathan auf einer Stufe stünde. Zur Hölle, er war noch nie einer Frau begegnet, die einen Knicks vor ihm machte, und ihr bezauberndes Lächeln brachte ihn um den Rest seines Verstandes. Guter Gott, ihre hübsche Larve verhexte ihn noch genauso wie den Ochsen Jimbo.
Als sie vor Noras Tür angekommen waren, löste er sich allmählich aus seiner Erstarrung und brummte: »Überfordert sie nicht allzu sehr, Lady Sara.«
Sie nickte und wartete, daß Matthew die Tür für sie öffnete. Zunächst begriff er nicht, was sie von ihm wollte, als sie ihm ein Zeichen machte, aber dann riß er seltsam beflissen die Tür weit auf. Sara dankte ihm und betrat die Kajüte, während sich Matthew zurückzog.
»Matthew schien äußerst verwirrt zu sein«, stellte Nora fest.
»Das habe ich gar nicht bemerkt«, gab Sara zu und lächelte ihre Tante an, während sie zu ihrem Bett eilte, um ihr einen Kuß auf die Wange zu drücken. Nora saß aufrecht, und jemand hatte ihr unzählige Kissen in den Rücken gestopft.
»Aber ich habe durchaus bemerkt, wie besorgt er um dich ist und wie du dich in seiner Gegenwart benimmst«, erklärte Sara. Sie schob einen Sessel neben das Bett, nahm Platz und strich die Falten in ihrem Kleid glatt. »Ich glaube, du hast einen sehr entschlossenen
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