Geliebte Feindin
vermutete, daß eine Dirne besser behandelt wurde als sie. Die bekam wenigstens ein paar Shillinge, wenn sie ihre Gunst verteilte.
Sara hatte nicht mal einen unfreundlichen Abschiedsgruß erhalten.
Als ihre Tränen versiegt waren, ließ Sara ihre Wut und Enttäuschung am Bett aus. Sie ballte die Hände zu Fäusten und trommelte auf Nathans Kopfkissen ein. Die Vorstellung, sie könnte ihren Mann ebenso traktieren, bereitete ihr eine seltsame Genugtuung. Schon im nächsten Augenblick brach sie wieder in Tränen aus und preßte das Kissen an ihren Busen. Nathans wundervoller Duft haftete noch an dem Kissen.
Es dauerte nicht lange, bis sie sich selbst Vorwürfe machte, weil sie sich so gehenließ. Sie schleuderte das Kissen von sich und machte sich daran, die Kajüte in Ordnung zu bringen.
Sie verbrachte den Rest des Nachmittags in der Kajüte, und als sie alles aufgeräumt und ihr königsblaues Kleid wieder angezogen hatte, setzte sie sich in einen Sessel und nahm ihren Zeichenblock zur Hand. Sie fertigte eine Skizze von dem Schiff an und hoffte, sich so von den quälenden Gedanken an Nathan befreien zu können.
Matthew unterbrach ihr verzweifeltes Bemühen, sich abzulenken, als er an die Tür klopfte und sie fragte, ob sie ihr Dinner mit der ersten oder mit der zweiten Wache einnehmen wollte. Sie antwortete, daß sie vorhatte, mit ihrer Tante zu essen.
Sara war neugierig, was die Männer zu ihrer Suppe sagten, die so gut gerochen hatte, nachdem sie die verschiedenen Gewürze hineingerührt hatte, und die bestimmt ziemlich kräftig geworden war, nachdem sie so lange gekocht hatte.
Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Männer zu ihr kamen, um ihr ihren Dank auszusprechen. Sie bürstete ihr Haar und zog sich um, damit sie ihnen einen herzlichen Empfang bereiten konnte.
Die Mannschaft würde sie bald in ihr Herz schließen, und daß sie für sie gekocht hatte, machte ohne Zweifel Eindruck auf die Männer. Noch bevor die Nacht hereinbrach, waren sicherlich alle überzeugt, daß sie ihre Wertschätzung verdiente.
7
Als die Nacht hereinbrach, hegte die Mannschaft den Verdacht, daß Sara einen Mordanschlag auf sie verüben wollte.
Die Wache wechselte um sechs Uhr, und nur ein paar Minuten später stürmte der Teil der Crew, der seinen Dienst beendet hatte, in die Kombüse, um sich das Abendessen zu holen. Die Männer hatten tagsüber schwer gearbeitet und die Decks geschrubbt, die Kajüten geputzt, die Segel geflickt und die Kanonen gereinigt. Sie waren alle müde und hatten no entsetzlichen Hunger, daß die meisten gleich zwei Schüsseln von der würzig riechenden Suppe vertilgten.
Unglücklicherweise wurde ihnen erst schlecht, nachdem auch die zweite Wache ihren Anteil an dem Gebräu zu sich genommen hatte.
Sara hatte keine Ahnung davon, daß die Männer krank waren, und allmählich wurde sie ungeduldig, weil sich kein Mensch bei ihr blicken ließ, um ihr für die wunderbare Verköstigung zu danken.
Als ein hartes Klopfen an ihrer Tür ertönte, sprang sie freudig auf, um den Besucher einzulassen. Jimbo stand vor der Tür, und sein finsterer Blick ließ ihr das Lächeln auf den Lippen gefrieren.
»Guten Abend, Jimbo«, begann sie vorsichtig. »Ist etwas vorgefallen? Ihr seht nicht besonders glücklich aus.«
»Habt Ihr schon von der Suppe gegessen, Lady Sara?« fragte er knapp.
Offensichtlich war er beunruhigt, und Sara dachte fieberhaft nach, was wohl geschehen sein konnte, bevor sie antwortete: »Ich wollte mein Dinner zusammen mit Nora einnehmen … Jimbo, was hat dieses entsetzliche Geräusch zu bedeuten?«
Sie spähte auf den Korridor, aber sie konnte nicht ausmachen, woher der Lärm kam.
»Das sind die Männer.«
»Die Männer?«
Plötzlich stand Nathan an Jimbos Seite. Sara stockte der Atem, als sie sein wutverzerrtes Gesicht sah, und wich ein paar Schritte zurück.
»Was ist passiert, Nathan?« fragte sie in panischer Angst. »Ist etwas mit Nora? Geht es ihr gut?«
»Nora ist wohlauf«, warf Jimbo ein.
Nathan machte Jimbo ein Zeichen, daß er verschwinden sollte und ging mit langen Schritten in die Kajüte. Sara versuchte eine so große Distanz wie möglich zu ihm zu halten, als sie bemerkte, daß er die Kiefer eisern zusammenpreßte. Das war ein schlechtes Zeichen.
»Nathan, hat dich irgend etwas aufgeregt?« flüsterte sie schwach. Er nickte.
Sie war fest entschlossen, mehr aus ihm herauszukriegen. »Bist du mit mir böse?«
Er nickte wieder und versetzte der Tür einen Tritt,
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