Geliebte Feindin
Männer vergiften wollte. Er hat nichts von der Suppe gegessen – vielleicht bringt er auch nur deshalb mehr Verständnis auf. Auf jeden Fall ist mir das gleichgültig – ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr darum zu kümmern, was er denkt. Ich bin wirklich böse mit ihm, und zwar sehr«, fügte sie hinzu, als sie sah, daß ihre Tante lächelte. »Er behandelt mich ganz und gar nicht gut.«
Nora hatte keine Gelegenheit, etwas auf diese dramatische Eröffnung zu entgegnen, da Sara ausrief: »Oh, das hätte ich nie sagen dürfen. Nathan ist mein Mann, und ich sollte immer zu ihm halten. Ich schäme mich …«
»Hat er dir etwas angetan?« unterbrach Nora den Redeschwall.
»Nein, natürlich nicht. Es ist nur diese Sache …«
Eine lange Zeit verstrich, in der Nora nur vermuten konnte, was ihre Nichte ihr zu erklären versuchte.
Als Sara heftig errötete, argwöhnte Nora, daß sie Probleme mit der intimen Seite der Ehe hatte. »War er nicht zärtlich?«
Sara senkte den Blick. »Er war sehr zärtlich.«
»Aber?«
»Danach war er so abweisend … nach dem zweiten Mal ist er sogar gleich aufgestanden und weggegangen. Er hat kein einziges liebes Wort für mich gehabt – er hat überhaupt nichts gesagt. Einer Dirne hätte er sicher mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht.«
Nora war viel zu erleichtert über die Tatsache, daß Nathan behutsam vorgegangen war, um seiner Gedankenlosigkeit allzu viel Bedeutung beizumessen. »Hast du denn liebe Worte zu ihm gesagt?« fragte sie.
»Nein.«
»Mir scheint, daß Nathan gar nicht weiß, was du dir wünschst und wie sehr du ein Lob brauchst.«
»Ich brauche kein Lob«, erwiderte Sara verärgert. »Ich hätte nur gern ein wenig mehr … O Himmel, das ist ja gar nicht wahr! Ich wünsche mir sein Lob. Ich kann mir selbst nicht erklären, warum … Nora? Spürst du auch, daß das Boot auf eine Seite driftet? Ich frage mich wirklich, warum Nathan das nicht in Ordnung bringt.«
Nora brauchte einen Augenblick, um Saras Gedankensprung nachzuvollziehen, dann meinte sie: »Ja, ich glaube, es neigt sich ein wenig zur Seite, aber hast du nicht gesagt, daß der Wind heute ziemlich rauh ist?«
»Das Schiff scheint gar nicht mehr weiterzufahren. Ich hoffe nur, daß wir nicht untergehen – ich habe nie schwimmen gelernt. Aber das ist gar nicht so wichtig – Nathan würde mich nie ertrinken lassen.«
Nora lächelte. »Davon bist zu überzeugt, nicht wahr?«
Sara war erstaunt über diese Behauptung. »Natürlich, ich bin doch seine Frau, und er hat versprochen, mich zu beschützen.«
»Und darauf vertraust du felsenfest?«
»Selbstverständlich.«
Das Schiff stand tatsächlich still, und die Wellen klatschten an den Bug. Sara bemerkte, daß Nora sehr erschrocken war, als sie ihre Hand ergriff. Sara streichelte sie und sagte: »Nathan ist der Captain auf diesem Schiff, Nora, und er würde nie zulassen, daß wir ins Meer fallen. Er weiß, was er unternehmen muß. Mach dir keine Sorgen, Nora.«
Plötzlich zerriß ein donnerndes Brüllen die Luft – jemand schrie nach Sara. Sara verzog das Gesicht. »Siehst du, was ich meine, Nora? Wenn Nathan meinen Namen ausspricht, dann schreit er. Ich frage mich wirklich, was ihn jetzt wieder auf die Palme gebracht hat. Dieser Mann scheint zum Jähzorn zu neigen. Ob ich wohl je mit ihm zurechtkomme?«
»Sieh nach, was er will«, schlug Nora vor. »Laß dich durch seine laute Stimme nicht einschüchtern. Ich habe dir schon einmal gesagt, daß er einen guten Kern hat.«
»Ich weiß«, seufzte Sara. Sie stand auf und glättete ihr Kleid.
»Schau hinter die grimmige Fassade, und du findest einen guten Mann.«
»Ich werd’s versuchen, Nora.«
Sie drückte Nora einen Kuß auf die Wange, lief auf den Flur und prallte frontal gegen Jimbo. Der große Mann reagierte schnell und hielt sie fest, um sie vor einem Sturz zu bewahren. »Kommt mit mir«, befahl er.
Er bugsierte sie zu den Stufen, die in den Frachtraum führten, aber sie wehrte sich. »Nathan hat nach mir gerufen, Jimbo. Ich muß zu ihm gehen – ist er an Deck?«
»Ich weiß zwar, wo er ist«, brummte Jimbo. »Aber er braucht ein paar Minuten, um sich zu beruhigen, Sara. Ihr könnt Euch solange hier unten verstecken …«
»Ich verstecke mich nicht vor meinem Mann«, fiel Sara ihm ins Wort.
»Verdammt richtig, das wirst du nicht tun!«
Sara machte einen Satz, als Nathans donnernde Stimme direkt hinter ihr ertönte. Sie drehte sich um und tat ihr Bestes, um ein Lächeln auf ihr
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