Geliebte Feindin
aufmerksam zu machen. Die Adern an seinen Schläfen waren beachtlich angeschwollen, und sie schloß daraus, daß ihr Mann seinen Zorn noch nicht überwunden hatte.
Sie beobachtete ihn genau, als er auf und ab lief, brüllte und schimpfte, und in diesen Minuten, in denen er ganz er selbst war, wurde ihr klar, wie sehr sie ihn liebte. Er war, ohne daß er es wußte, sehr nett zu ihr. Er verfluchte sich selbst, Jimbo und Matthew, weil es niemand von ihnen für nötig befunden hatte, sie über das Leben auf einem Schiff aufzuklären, und haderte sogar mit Gott, weil er das Feuer über sie gebracht hatte.
Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen und ihm gesagt, daß sie ihn, was immer auch passierte, bis in alle Ewigkeit lieben würde. Sie fühlte plötzlich eine grenzenlose Zufriedenheit – fast so, als wäre sie all die Jahre auf einer Reise gewesen und jetzt endlich nach Hause gekommen.
Nathan hatte ihr eine Frage gestellt und wartete auf eine Antwort. Er sah sie irritiert an, weil sie offensichtlich während seinen Ausführungen geträumt hatte. Sara achtete nicht darauf. Sie war sicher, daß er sich eines Tages an sie gewöhne und sie so nehmen würde, wie sie war. Sie hatte sich ja auch schon an seine Fehler und an seinen finsteren Blick gewöhnt. Und, Nora hatte recht gehabt, hinter der grimmigen Fassade steckte wirklich ein guter, freundlicher Mann.
Nathan wiederholte seine Frage, und Sara versprach ihm, daß sie nichts mehr auf diesem Schiff anrühren würde, bis sie in den Hafen eingelaufen waren.
Nathan war zufrieden. Nachdem er die Kajüte verlassen hatte, machte sich Sara sofort an die Arbeit. Sie verbrachte einige Stunden damit, die Wände und den Boden zu schrubben und wechselte die Bettwäsche. Als sie fertig war, wusch sie sich und zog sich für die Nacht um. Sie war zwar erschöpft, aber trotzdem fest entschlossen, aufzubleiben und auf ihren Mann zu warten, weil sie in seinen Armen einschlafen wollte.
Sie kramte ihren Skizzenblock hervor, setzte sich an den Tisch und begann, ihren Mann zu porträtieren. Das Papier ist viel zu klein für ihn, überlegte sie und lächelte selbst über den Gedanken. Er war nur ein Mann. Ihr Mann. Als sie fertig war, mußte sie zugeben, daß das Bild ziemliche Ähnlichkeit mit Nathan hatte.
Er hatte die Haltung eines Wikingers, und das lange Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Sogar der finstere Blick und das Stirnrunzeln war ihr gelungen, und sie wünschte, sie hätte Farben zur Hand, um die lebhaften grünen Augen und das kastanienbraune Haar kolorieren zu können.
Es war schon nach Mitternacht, als Nathan zu ihr kam. Sara saß im Sessel und schlief tief und fest. Sie hatte sich zusammengerollt wie ein kleines Kätzchen, und ihre Locken bedeckten ihr Gesicht fast ganz.
Er stand lange da und betrachtete sie. Guter Gott, es fühlte sich so richtig an, sie in der Nähe zu haben. Er begriff selbst nicht, warum er so zufrieden war, aber er wußte sehr genau, daß diese Empfindung gefährlich war. Zur Hölle, er konnte nicht zulassen, daß ihm eine Frau mehr bedeutete als ein Gepäckstück. Sie war nur ein Mittel zum Zweck, und das war alles.
Nathan öffnete die Falltür, um den Rauchgeruch zu vertreiben, zog sich aus, wusch sich und ging zum Tisch. Er entdeckte den Skizzenblock, und plötzlich wurde er neugierig und schlug ihn auf. Sie hatte etwa zwölf Zeichnungen gemacht – nur von ihm. Er wußte nicht, was er davon halten sollte. Sie hatte ihn bemerkenswert gut getroffen, aber die letzte Skizze zeigte ihn mit einem freundlichen Lächeln..
Sara war wirklich eine hoffnungslose Romantikerin. Die alte Frau hatte ihm erzählt, daß ihre Nichte die meiste Zeit den Kopf in den Wolken hatte, und Nathan wußte nun, daß das keine Übertreibung gewesen war. Seine Frau war eine törichte Träumerin.
Eine Zeichnung betrachtete er besonders lange. Sara hatte ihn am Ruder stehend mit nacktem Oberkörper gezeichnet. Er beobachtete offenbar den Sonnenuntergang und war im Halbprofil zu sehen.
Auf seinem Rücken befanden sich keinerlei Narben. Hatte sie sie vergessen oder sich bewußt entschieden, sie nicht in die Skizze aufzunehmen? Nach einer Weile kam Nathan zu dem Schluß, daß es die Sache nicht wert war, länger darüber nachzudenken. Verdammt, er hatte diese Narbe, und Sara sollte sie besser akzeptieren. Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als er sich auch schon wegen seiner lächerlichen Reaktion Vorwürfe machte. Er hob Sara in seine Arme, trug sie
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