Geliebte Feindin
gerät, stimmt’s, Matthew?« brummte Jimbo so griesgrämig, wie er konnte. »Hört auf, an mir herumzuwischen.«
Sara achtete nicht auf sein Gerede. »Matthew, glaubt Ihr, daß er in Ordnung ist? Der Schnitt scheint nicht besonders tief zu sein, aber vielleicht …«
»Ihm geht’s gut«, behauptete Matthew.
Sara nickte und beschäftigte sich wieder mit ihrem eigenen Kummer. »Ein Mann sollte seine Frau trösten, wenn sie niedergeschlagen worden ist«, verkündete sie. »Jeder Mensch, der auch nur einen Funken Verstand hat, weiß das. Matthew, geht und holt Nathan. Bei Gott, er wird mich trösten, oder ich …«
»Sara«, fiel Matthew ihr ins Wort. »Euer Mann ist der Captain dieses Schiffes, und er hat ein paar wichtige Dinge zu erledigen. Außerdem würde Euch seine Gesellschaft jetzt nicht besonders gefallen. Der Junge hat eine mörderische Wut.«
»Weil die Piraten sein Schiff geentert haben?«
»Weil dieser Bastard Euch geschlagen hat, Sara«, brummte Jimbo. »Ihr wart besinnungslos nach dem Hieb, und deshalb konntet Ihr sein Gesicht nicht sehen. Und das ist auch gut so, denn diesen Anblick würdet Ihr Euer Leben lang nicht vergessen. Ich habe ihn nie zuvor so außer sich erlebt.«
»Das ist wunderbar«, flüsterte Sara.
Die beiden Seemänner tauschten verblüffte Blicke aus.
In dieser Sekunde fiel Sara wieder ein, daß sie eine Todsünde begangen hat.
»O Gott«, schrie sie auf, »ich habe den Mann ins Gesicht geschossen. Ich bin zum Fegefeuer verdammt.«
»Ihr habt das Leben Eures Mannes gerettet«, gab Jimbo zu bedenken. »Ihr werdet nicht in der Hölle schmoren, Sara.«
»Er wird für den Rest seines Lebens … häßlich sein«, hauchte sie.
»Sara, er war schon immer häßlich«, meinte Matthew.
»Ich wünschte, Ihr hättet den Bastard umgebracht«, sagte Jimbo. »Aber Ihr habt ihm leider nur die Nase …«
»Mein Gott, ich habe seine Nase getroffen?«
»Jimbo, du machst alles nur noch schlimmer«, raunte Matthew.
»Habe ich dem armen Mann die ganze Nase weggeschossen?«
»Armer Mann?« schnaubte Jimbo. »Dieser Kerl ist ein Teufel. Wißt Ihr, was er mit Euch getan hätte, wenn …?«
»Der Bastard hat seine Nase noch«, sagte Matthew schnell und funkelte seinen Freund finster an. »Hör auf, sie noch mehr aufzuregen«, zischte er und wandte sich Sara wieder zu. »Ihr habt ihm ein kleines Loch beigebracht.«
»Ihr habt uns alle gerettet«, erklärte Jimbo.
Diese Bemerkung hellte ihre Stimmung beträchtlich auf. »Ich habe alle gerettet?«
Die beiden Männer nickten.
»Womit genau beschäftigt sich Nathan gerade?«
»Mit Rache«, erwiderte Jimbo. »Auge um Auge, Sara. Sie wollten uns alle umbringen …«
Lady Sara schnappte entsetzt nach Luft und rannte aus der Kajüte. Jimbo und Matthew setzten ihr nach.
Nathan stand am Ruder. Die Piraten, die versucht hatten, auf ihr eigenes Schiff zu kommen, waren an der Reling angekettet. Die Besatzung der Seahawk stand um Nathan herum.
Sara eilte an die Seite ihres Mannes und berührte seinen Arm, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie hatte keinen Erfolg. Er hielt seinen Blick starr auf den Anführer der Piraten gerichtet, der nur wenige Meter von ihm entfernt an der Reling stand.
Als Sara den Mann sah, trat sie instinktiv einen Schritt näher an ihn heran. Der Mann drückte einen Lumpen an seine Nase. Sie wollte ihm gern sagen, wie leid es ihr tat, daß sie ihn verletzt hatte. Aber ebenso gern wollte sie ihm erklären, daß das alles seine eigene Schuld gewesen war. Der Schuß wäre nie losgegangen, wenn er sie nicht niedergeschlagen hätte.
Offenbar ahnte Nathan, was sie sich vorgenommen hatte. Er ergriff ihren Arm und hielt sie zurück.
»Geh nach unten«, befahl er ruhig, aber mit einem drohenden Unterton.
»Nicht, bevor du mir sagst, was du mit ihnen vorhast«, entgegnete sie.
Nathan hätte vielleicht die Bedenken seiner Frau, er könnte zu streng vorgehen, zerstreuen können, wenn er sie in diesem Moment nicht angesehen hätte. Ihre geschwollenen Wange schürte seinen Zorn bis zur Weißglut.
»Wir werden sie töten.«
Er wandte sich seiner Mannschaft zu, bevor er Sara erneut anwies: »Geh hinunter, wir sind in einigen Minuten fertig.«
Sie ging nirgendwohin, sondern verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich vor ihm auf. »Du wirst sie nicht töten.«
Mit diesem knappen Kommando gewann sie endlich die Aufmerksamkeit ihres Mannes – und sie zog seinen Zorn auf sich. Er sah sie an, als ob sie sein erstes
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