Geliebte Gefangene
gehabt, zu erklären oder wenn schon nicht seine Vergebung, so doch sein Verständnis zu erbitten. Ihre Krankheit hatte ihr die Möglichkeit geraubt, sich vor ihm zu rechtfertigen, und dann war er in den Kampf gerufen worden.
Ohne Zweifel hatten Zeit, Entfernung und das Blutvergießen, das er erlebt hatte, sein Herz gegen sie verhärtet. Ihre Hände, die sie ihm entgegengestreckt hatte, sanken wieder kraftlos herab.
„Seid Ihr wohlauf, Madam?“
Er klang so förmlich, so kalt. In seinem Blick lag keine Wärme für sie. Es war unmöglich, in ihm den Mann zu sehen, der sie in seinen Armen gehalten und so zärtlich geliebt hatte. Ein Kloß formte sich in Annes Kehle, und sie schluckte schwer. So würde es also enden. Nicht mit Vorwürfen, sondern mit Kälte. Sie würden in einer lieblosen Ehe erstarren und sich immer weiter entfremden. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich am Ende nicht nur noch hassen würden.
„Es geht mir viel besser. Danke, Mylord.“ Annes Stimme zitterte leicht. „Und Ihr? Ich habe gehört, dass Ihr verwundet worden seid.“ Sie bemerkte, dass sie die Hand an sein Gesicht gehoben hatte und ließ sie wieder fallen.
Abwehrend schüttelte er den Kopf. „Nur ein Kratzer. Es tut mir leid, wenn die Sache in den Botschaften übertrieben wurde und Euch Kummer bereitet hat.“
Sie war mehr als bekümmert gewesen.
Ich bin tausend Tode gestorben, als ich dachte, ich hätte dich verloren …
Sie sahen einander an. Plötzlich gab es so wenig zu sagen, und die Entfernung zwischen ihnen schien immer größer zu werden.
„Entschuldigt mich“, bat Simon höflich. „Ich habe einen langen und harten Ritt hinter mir und würde mir gerne den Staub der Reise abwaschen.“ Er wandte sich ab.
Anne zögerte. Nur noch ein Augenblick, und alles wäre verloren. Nur noch ein Augenblick, und es wäre zu spät …
„Simon, warte!“
Er blieb stehen und drehte sich halb zu ihr, aber er kam nicht zurück. Die Kluft zwischen ihnen wurde noch größer. Anne wusste, dass sie diejenige war, die versuchen musste, sie zu überbrücken. Denn sie war es schließlich gewesen, die sein Vertrauen missbraucht hatte. „Ich muss mit dir reden“, sagte sie hastig. „Bitte, Simon …“
Er strich sich mit einer Hand durch das Haar. „Kann das nicht warten, Anne? Ich habe eine lange Reise hinter mir, und ich bin sehr erschöpft …“
„Nein“, beteuerte Anne, „es kann nicht warten.“ Wenigstens hatte er sie beim Namen genannt. Zumindest gab es eine Chance …
„Bitte hör mich an“, sagte sie. „Und wenn du es dann immer noch willst, kannst du mich verlassen, ohne einen Blick zurückzuwerfen.“
Simon verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Gesichtsausdruck zeigte Höflichkeit, aber nicht mehr.
Anne hatte entsetzliche Angst. Sie räusperte sich schmerzhaft. Ihre Stimme fühlte sich seltsam an, wie an dem Tag, als sie nach den langen Wochen der Krankheit zum ersten Mal wieder gesprochen hatte. „Prinzessin Elizabeth …“, sagte sie. „Ich habe gehört, dass du sie zum König geschickt hast.“
„Das ist richtig.“
Eine Träne lief Anne über die Wange. Ungeduldig wischte sie sie fort, denn sie verachtete die Schwäche, die sie jetzt weinen ließ. „Danke“, flüsterte sie. „Ich hoffe, dass dir das nicht zu viel Ärger mit deinen Vorgesetzten eingebracht hat.“
Simon sah auf grimmige Art amüsiert aus. „Ich werde es überleben.“
Aber noch immer machte er keinen Schritt auf sie zu. Und während Anne darum kämpfte, die richtigen Worte zu finden, merkte sie, dass er kurz davor war zu gehen. Sie wusste, dass sie nun all ihren Stolz und alle Täuschung vergessen und ihm die Wahrheit sagen musste.
„Simon“, begann sie. „Ich will, dass du eines weißt. Ich habe deinen Heiratsantrag von Anfang an abgelehnt, weil ich wusste, dass ich dich eines Tages hintergehen müsste.“ Sie hielt inne. Zumindest hatte sie jetzt seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Er sah sie mit solcher Eindringlichkeit an, dass sie seinen Blick kaum ertragen konnte.
„Ich wusste, dass der König mich irgendwann darum bitten würde, die Pflicht, die ich ihm schuldete, die Aufgabe, die ich von meinem Vater übernommen hatte, zu erfüllen. Und dann würde ich dich betrügen müssen.“ Sie streckte eine Hand nach ihm aus, ließ sie aber wieder fallen, als sie sein versteinertes Gesicht sah. „Und ich dachte, diesen Betrug nicht ertragen zu können, wenn ich deine Frau wäre.“
„Ich weiß.“ Simon hatte sehr leise
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