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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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wie er den Kopf zur Seite drehte, die Augen schloss und gehorsam wie ein Kind einschlief.
    Anne war sich nicht sicher, wie lange sie an seinem Bett gesessen hatte, doch als sie endlich aufstand und dem Earl einen leichten Kuss auf die eingefallene Wange hauchte, merkte sie, dass ihre Glieder steif geworden waren. Die Haut ihres Vaters war rau unter ihren Lippen, und plötzlich kamen ihr die Tränen. Sie wusste, dass er sie verließ, aber so lange noch das kleinste bisschen Leben in ihm war, hatte sie Hoffnung. Trotzdem, bald würde sie ganz allein sein.
    Sie hob eine Hand an die Lippen und versuchte, ihr inneres Gleichgewicht zu finden, als sie zur Tür ging. Im Turm war es still geworden. Es war schon sehr spät, und plötzlich fühlte sie sich unendlich erschöpft. Sie musste schlafen, aber sie wusste, dass sie jetzt, da die Schlacht so unmittelbar bevorstand, keine Ruhe finden würde. Überall in der Burg liefen die Vorbereitungen, um die Attacke abzuwehren.
    Ohne darüber nachzudenken, ging sie den Gang hinunter zu den Zimmern, die ihrer Mutter gehört hatten. Als Sir Henry Greville verwundet und gefangen genommen worden war, hatte Anne ihn gegen Malvoisiers ausdrücklichen Befehl in einem Raum untergebracht, in dem sie seine Pflege persönlich überwachen konnte. Malvoisier hatte nicht gewagt, ihr das zu verweigern. Er hatte in der Großen Halle geflucht und getobt und wie ein wild gewordener Riese die kristallenen Gläser im Kamin zerschmettert und die Kerzenständer zerbrochen, aber Henry Greville war im Tempest Tower geblieben. Er verdankte Lady Anne Grafton sein Leben.
    Leise öffnete Anne die Tür. Wie sie schon vermutet hatte, saß Muna an Henrys Bett. Sie hatte ihm offensichtlich aus einem Psalter vorgelesen, aber das Buch war ihr aus den Händen gerutscht, als sie eingeschlafen war. Nun ruhte ihr Kopf an der Stuhllehne, und ihre Hand lag in Henrys. Der Raum war von einem trügerischen Gefühl der Ruhe erfüllt.
    Henry Greville ähnelte seinem Bruder genug, dass Annes Herz einen kleinen Satz machte, als sie sein schlafendes Gesicht betrachtete, und ihre Gedanken wanderten zurück zu Simon. Als er sie angesehen hatte, hatte sie die funkelnde, kühl kalkulierende Intelligenz in der dunklen Tiefe seiner Augen bemerkt, und sie hatte gewusst, dass er ein gefährlicher Feind sein würde, ein Gegner, der diesen Namen verdiente. Sie hatte sich gewünscht, nicht mit ihm die Klingen kreuzen zu müssen. Aber wenn sie den Schatz des Königs beschützen wollte, musste sie genau das tun. Und dieser Gedanke machte ihr entsetzliche Angst.
    Erinnerungen sind etwas Seltsames, dachte Anne, als sie das Buch vom Boden aufhob und es vorsichtig, ohne Muna und Henry zu wecken, auf den Tisch legte. Sie hatte Simon Greville seit vier Jahren nicht mehr gesehen, und doch hatte sie an ihren Jugenderinnerungen festgehalten, nur um dann festzustellen, dass der Mann, der er geworden war, inzwischen viel eindrucksvoller und attraktiver war. Sie warf Henry einen letzten Blick zu. Würde Simon genauso aussehen, wenn er schlief und ohne Sorgen war? Wenn sie an diesem Abend nur ein wenig länger bei ihm geblieben wäre, hätte sie es vielleicht herausgefunden. Sie wäre in sein Bett gekommen und hätte sich ihm ohne jegliches Gefühl für Scham hingegeben. Alle moralischen Grundsätze wären in der wilden Flut von Erinnerungen und Gefühlen zwischen ihnen weggespült worden. Noch nie hatte sie solche Leidenschaft verspürt. Das Verlangen hatte sie bis ins Mark erschüttert.
    Vorsichtig schloss sie die Tür hinter sich und stand im dunklen Gang, die Arme um den Körper geschlungen. Auch wenn die Nacht ruhig war, war sie doch erfüllt mit einer gespannten Erwartung, die die Luft zum Vibrieren brachte. Die Vorahnung der kommenden Schlacht, die Gefahr des Todes, die wie ein Schatten über ihnen schwebte … Ein Zittern lief durch Annes Körper. Es waren diese Gefühle gewesen, die sie vor wenigen Stunden in Simon Grevilles Arme getrieben hatten. Sie hatte bei ihm bleiben wollen und sich danach gesehnt, den Albtraum der Gegenwart in dem Trost seiner starken Arme zu vergessen. Aber solch ein Gedanke war frevelhaft. Nur pure Verzweiflung hatte sie dazu gebracht. Sie standen auf entgegengesetzten Seiten und konnten nie etwas anderes sein als Feinde.
    Gedankenverloren ging sie wieder die Treppe hinunter und stellte sich in eine Ecke des Burghofs, um dem geschäftigen Treiben der Soldaten, die sich auf den Kampf vorbereiteten, zuzusehen. Malvoisier

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