Geliebte Gefangene
selbst – kaum ohne Gegenwehr überlassen.“
Stolz hob Anne das Kinn. „Ich habe Euch gewarnt, Mylord. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um Euch loszuwerden.“ Sie sah, dass die Fältchen um Simons Augen sich vertieften, als er lächelte, und ein kühler Schauer lief ihr über die Haut. Sie wusste, dass sie ihn gerade herausgefordert hatte – und er hatte diese Herausforderung angenommen.
„Das glaube ich Euch, Madam. Ich werde wachsam sein.“ Er trat noch einen Schritt näher an sie heran, sodass Anne in der Fensternische gefangen war.
Sie wich weiter zurück, und ihr Kleid streifte die Kante des Fenstersitzes. Es gab kein Entkommen. Sie fühlte, wie ihr der Atem stockte. „Tretet zurück, Mylord.“ Ihre Stimme klang schwach, und Simons einzige Antwort war, noch näher zu kommen. Sie konnte sein Bein durch den Stoff ihres Rockes an ihrem eigenen spüren. Ihre Brüste berührten seinen Oberkörper, und ein heißer Pfeil reiner Emotion traf sie und ließ ihr Inneres dahinschmelzen.
„Wie weit würdet Ihr gehen, um mich loszuwerden?“ Simons Stimme klang unerbittlich. „Würdet Ihr mich töten?“
„Was sollte mich abhalten?“, fragte Anne atemlos. Sie wollte fliehen. Auf so kurze Entfernung war seine körperliche Präsenz überwältigend. Die Art, wie er sie ansah, verwirrte sie zutiefst. „Ihr seid mein Feind.“ Sie presste ihre Handflächen gegen die grobe Steinwand hinter sich, um ruhiger zu werden. „Nichts kann das jetzt noch ändern.“
„Müssen wir wirklich Feinde sein?“ Simon neigte sich näher zu ihr.
Sie spürte seinen Atem an den feinen Härchen in ihrem Nacken. Wellen von undeutbaren Gefühlen überfluteten sie. Ihr ganzer Körper fühlte sich hochempfindlich an. Sie hatte eine Gänsehaut, und ihre Beine zitterten. Ihr war heiß und kalt, alles drehte sich, und sie fühlte sich schwach.
„Ich habe Euch das Leben gerettet“, fuhr Simon fort. „Dafür schuldet Ihr mir etwas.“
„Ihr habt mir mein Leben geschenkt und stehlt dafür meine Zukunft“, sagte Anne so kalt, wie sie konnte. „Ich schulde Euch gar nichts.“
Glut flackerte in seinen Augen auf. „Wir waren nicht immer Feinde. Als ich nach Grafton kam, um um Euch zu werben …“
„Das ist Jahre her“, erwiderte Anne heftig. Sie versuchte verzweifelt, nicht daran zu denken, wie süß die Erinnerungen an diese Zeit waren. „Jetzt ist alles anders.“
„Und doch – in der Nacht, in der Ihr in mein Quartier kamt, gab es einen Moment, als ich Euch in meinen Armen hielt. Ich könnte schwören, dass Ihr mich da nicht nur als Euren Feind betrachtet habt …“
Das Herz schlug Anne bis zum Hals. „Das war …“ Ihre Stimme verlor sich. Ihr Mund war trocken. Die Erinnerungen tanzten vor ihrem inneren Auge. Es war erschreckend, aber auch absolut und unbestreitbar richtig gewesen, in Simons Armen zu liegen. Und trotzdem war es falsch gewesen. „Es war der Abend vor der Schlacht“, sagte sie. „Ihr wolltet eine Frau, irgendeine Frau, und ich war verängstigt und suchte Trost …“
„Nein.“ Sie fühlte, dass er ihre Worte aus einem inneren Drang heraus abstritt, und war erschüttert, denn sie wusste, dass er die Wahrheit sprach. Er stand jetzt so nah bei ihr, dass sie den Duft seiner Haut wahrnehmen konnte, den Geruch nach frisch gewaschenem Leinen, von frischer Luft und Leder. Ihr drehte sich der Kopf.
„Ich wollte Euch, Anne of Grafton“, sagte er. „Ich tue es immer noch. Und Ihr wolltet mich. Zwischen uns ist mehr als Feindschaft, und das ist schon immer so gewesen.“
„Nein!“, widersprach Anne. Sie stand still und aufrecht vor ihm, die Arme wie zum Schutz vor der Brust verschränkt.
„Ihr lügt“, erwiderte Simon schlicht, und sie wusste, dass er recht hatte.
Schließlich trat er einige Schritte zurück, und Anne konnte endlich wieder frei atmen. „Die Umstände haben mich zum Herrn auf Grafton gemacht. Niemand wird es mir vorwerfen, wenn ich sowohl das Gut als auch die Herrin zu meinem Eigentum mache.“
Empörung färbte Annes Gesicht. „Eher wird die Hölle zufrieren!“
Ein Lächeln spielte um Simons Lippen. „Wir werden sehen.“
„Ich weiß nicht einmal, ob Ihr mir die Ehe antragt oder mich zur Eurer Mätresse machen wollt. Aber Ihr könnt sicher sein, dass ich Eure unrechtmäßige Übernahme von Grafton nicht legitimieren werde, indem ich einer Ehe zwischen uns zustimme!“
Simon lachte. Seine dunklen Augen funkelten herausfordernd. „Also werdet Ihr zustimmen,
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