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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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gebracht. Anne sah zu, als er hinaufgehoben und weggetragen wurde. Sein Gesicht war kreidebleich. Der Schnee war rot von Blut. Anne fühlte, wie sich ihr die Kehle zusammenschnürte.
    „Es war meine Schuld“, sagte sie mit brechender Stimme. „Malvoisier wollte mich töten, und stattdessen hat er Captain Standish umgebracht.“
    Ein Muskel zuckte in Simons Wange. „Standish wird überleben“, erwiderte er, aber Anne wusste nicht, ob es ein Versprechen oder nur eine Hoffnung war. Dann hob er sie genauso mühelos in seine Arme, wie er es schon einmal zuvor getan hatte, und machte sich auf den Weg zum Haus.
    Anne legte ihre Wange an seine Schulter und versuchte, seine Jacke nicht mit ihren Tränen zu durchnässen. Sie fühlte sich schwach und krank und war erschüttert von dem, was geschehen war. Malvoisier war bis in ihre Mitte vorgedrungen. Wie hatte das passieren können? Ihr Verstand war getrübt von Schmerz und Trauer, aber sie versuchte dennoch, eine Antwort zu finden.
    Jetzt drangen von den Zinnen Rufe zu ihnen. „Hier oben sind zwei Tote, Mylord!“
    Entsetzt hielt Anne die Luft an. Sie fühlte mehr als Bitterkeit und Wut. Sie war vernichtet. Denn ihr war schlagartig bewusst geworden, dass es nur einen Weg gab, auf dem Malvoisier in die Burg hatte kommen können. Er hatte denselben geheimen Gang benutzt, durch den sie in Simons Lager geschlüpft war. Sie hatte gedacht, dass er nichts von diesem Gang wusste und sie die Einzige war, die dieses Geheimnis kannte. Aber nun war ihr klar, dass es entweder einen Verräter unter ihnen gab oder dass Malvoisier von Anfang an Kenntnis davon gehabt hatte. Und wenn er ei n Geheimnis kannte, kannte er dann alle? Wusste er vom Schatz des Königs? Anne war sich so sicher gewesen, dass er nichts davon ahnte. Nun machte sich quälende Unsicherheit in ihr breit.
    „Mylord, Simon …“ Hektisch griff sie nach seinem Ärmel, und er verlangsamte seine Schritte und blickte in ihr Gesicht.
    „Was ist denn?“, fragte er.
    „Es gibt einen Tunnel.“ Annes Worte überschlugen sich beinahe. „Er beginnt am Ende des Waschkellers und führt unter dem Burggraben hindurch. Das war der Weg, den ich benutzt habe, um in jener Nacht zu Euch zu kommen.“ Sie sah, wie Simons Züge hart wurden, und sprach schnell weiter. „Es ist möglich, dass Malvoisier den Gang kannte. Ich hätte geschworen, dass es nicht so ist, aber …“ Die Verbitterung und Anklage in Simons Gesicht ließ sie verstummen. Sein Griff wurde plötzlich so hart, als würde er sie hassen.
    „Ich verstehe“, sagte er, und seine Stimme klang kalt.
    „Ich schwöre, dass ich ihm nicht davon erzählt habe“, beteuerte Anne, bevor ihre Stimme wieder brach. Erneut sah sie Guy Standishs reglosen Körper vor Augen, sein Blut, das in den Schnee floss. War das ihre Schuld? Sie hatte geheim gehalten, dass es diesen Tunnel gab, und nun waren zwei Männer tot, und ein weiterer kämpfte um sein Leben.
    Simon trat die Tür zu ihrer Kammer auf und setzte sie auf das Bett, ohne sie noch einmal anzusehen. Er verabschiedete sich nicht einmal. Sie konnte seine Verachtung und seine Wut spüren, als er sich abwandte und die Kammer ohne einen Blick zurück verließ. Sie hörte, dass er draußen schon dabei war, den Befehl zum Auffinden und Blockieren des Tunnels zu geben. Verzweifelt rollte sie sich auf die Seite und wandte ihr Gesicht zur Wand.
    Es war noch gar nicht lange her, da hätte sie sich gefreut, wenn die Parlamentarier in Grafton so einen schweren Schlag erleiden würden. Simon war ihr Feind, und es sollte ihr egal sein, wie viele Männer er verlor. Aber Gerard Malvoisier war ein gefährlicher Abtrünniger. Er hatte den Auftrag des Königs verraten, als er Grafton verlassen hatte. Schlimmer noch – er hatte schon zweimal versucht, sie zu töten, und Anne vermutete, dass dies nur eines bedeuten konnte. Malvoisier wusste von dem Schatz und wollte sie tot sehen, damit er ihn für sich selbst beanspruchen konnte.
    Den Rest des Tages erlebte Anne wie durch einen Nebel. Reglos lag sie da, während Edwina und Muna ihre Wunde versorgten, und dann stimmte sie lustlos zu, im Bett zu bleiben und sich auszuruhen. Aber sie konnte nicht schlafen. Sie starrte zum Betthimmel hinauf und dachte darüber nach, was sie getan und welche Schuld sie auf sich geladen hatte. Muna und Edwina blieben bei ihr. Die beiden Frauen unterhielten sich leise und kamen immer wieder zu ihr hinüber, um zu prüfen, ob sie auch kein Fieber bekommen hatte.
    Simons

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