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Geliebte Korsarin

Geliebte Korsarin

Titel: Geliebte Korsarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Korsaren. Hier verloren sich ihre Spuren … Sie sehen, ich habe mich genau informiert, Luis! Reden wir dabei nicht von den neuen Schätzen, die ein ›Gespenst der Karibik‹ hier eingelagert hat …«
    Rainherr sah Luis forschend an. Der hielt dem Blick stand … noch wußte man nicht genau, was man voneinander zu halten hatte.
    Man wußte nur: Eine neue Zeit begann. Eine ehrliche …
    Was ist Ehrlichkeit? Gibt es sie überhaupt im ökonomischen Sinn? Kann der Mensch nur von Ehrlichkeit leben? Gedeiht überhaupt etwas auf dem Boden der absoluten Moral?
    Fragen, die sich Luis de Vegas, der kein Dummkopf war, in den letzten Tagen oft gestellt hatte und die er an Dr. Rainherr weitergeben wollte. Auf die Antwort war er gespannt.
    »Wir sind Geschäftsleute bester Tradition, Señor!« sagte de Vegas nach der stummen Musterung.
    »So kann man es auch nennen, Luis. Die Piraterie ist tatsächlich ein traditionsreiches Gewerbe. Seit es Menschen gibt, die die Meere befahren, gibt es auch Seeräuber. Man könnte wohl einen wissenschaftlichen Streit darüber entfachen, welche nun die ältesten Gewerbetreibenden der Welt sind: die Dirnen oder die Seeräuber!«
    Luis' blaues Nordauge glänzte wunderbar in der schräg einfallenden Sonne. »Wer hat Ihnen dieses Auge eingesetzt?«
    Es war das erstemal in Luis' Leben, daß er so direkt danach gefragt wurde. Joanna hielt den Atem an. Rainherr hatte Luis dort getroffen, wo er verwundbar war. Wie würde er reagieren? Würde es in Sekundenschnelle einen mörderischen Zweikampf geben?
    Luis de Vegas benahm sich ganz anders, als alle erwartet hatten. Er blieb ganz ruhig. Dann sagte er:
    »Interessanter wäre es, Señor, zu erfahren, wo ich mein echtes Auge verloren habe … Es war im Staatsgefängnis von Jamaika. Ich war dort eingeliefert worden, weil ich ein junges Bürschchen – so ein feines Herrchen aus den besten Familien – halb totgeprügelt hatte, weil sich das Kerlchen an mein Mädchen heranmachte und mich einen mistigen Mischlingsbock titulierte. – Natürlich bekam das feine Herrchen recht, und ich wurde verurteilt. Sieben Jahre … Strafarbeit auf den Zuckerrohrfeldern, bei Auflehnung – in den Steinbrüchen! Nach einem Jahr wechselte das Personal; es kamen neue Aufseher. Darunter auch Jorge Siquento, ein feister Mensch, der – und das war neu – die Essensportionen nach der Arbeitsleistung zuteilte. Ich bekam damals Malaria und konnte nicht so schuften, also bekam ich kaum etwas zu essen. Krankheiten wurden nicht anerkannt. Als aber Siquento mir das Essen dreimal hintereinander verweigerte, weil er sagte, meine Arbeit sei so viel wert, daß ich meinen eigenen Kot fressen sollte … da habe ich mit dem Messer zugestochen. – Der Kerl war trotz seiner Dicke schnell, aber es nutzte ihm nichts. Ich schlitzte ihm den Bauch auf, und er erwischte mich am linken Auge. Ich konnte fliehen und habe mich drei Monate versteckt gehalten. Drei Monate – mit meiner leeren Augenhöhle! Fliegen und Mücken nisteten sich ein, ich war eine lebendige Brutstätte geworden – aber ich kam durch! Ich erreichte die Stadt The Alley im Süden Jamaikas, Señor, bekam ein Schiff nach Puerto Rico, und von dort kam ich mit einem Frachter nach Saba. Reiner Zufall alles! Auf Saba gefiel es mir, ich blieb hier … und dann engagierte mich der Käpten als Leiter seiner Außenstelle.«
    »Das ist ein guter Titel!« sagte Rainherr und lächelte.
    »Das Essen steht bereit!« sagte Luis de Vegas ablenkend. »Wir sollten uns beeilen.«
    »Selbstverständlich.«
    Sie gingen ein paar Schritte, verließen die schmale Mole und betraten die Insel.
    Alt-Holland empfing sie. Die Häuser hätten in Alkmaar stehen können. Der kleine Hafenplatz war äußerst sauber und auch von Blumenbeeten umgeben.
    Es war für Rainherr ein merkwürdiges Gefühl. Er betrat in der karibischen See eine Vulkaninsel … und fühlte sich gleich heimisch. Er dachte an Rembrandt und Vermeer van Delft und wartete nur darauf, daß gleich ein Mann in Pluderhosen und gestickter Jacke, einen breiten Hut auf dem Kopf, um die nächste Ecke biegt und eine lange, gebogene Tonpfeife raucht …
    Jahrhunderte vermischen sich: Oben das kleine Flugfeld für Propellermaschinen, hier unten ein Stück aus Hollands Geschichtsbuch.
    Andreas Rainherr blieb stehen. Auch Luis und Joanna verhielten den Schritt. »Es läßt mir einfach keine Ruhe«, meinte Rainherr. »Luis, Sie müssen wissen, ich habe ein paar Semester Medizin studiert, ehe ich umsattelte.

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