Geliebte Korsarin
Jim!« sagte Fernando kalt. »Wie ich höre, bist du wieder auf unserem schönen Schiff. Der Kapitän ist also eingetroffen.«
»Ah! Don Fernando!« McDonald räusperte sich. »Wo sind Sie?«
»Im Anflug auf Saba!«
»Das ist prima! Ich lasse sofort die MGs herausfahren! Wenn Sie näherkommen, kracht's! Ist das klar?«
»Ich habe nicht die Absicht, in Ihre Reichweite zu kommen, Sie Rindvieh! Ich will nur aus der Luft sehen, wie zwei Schiffe voll Menschen aussehen, die sich selbst vernichten. Kann ich den Käpten sprechen?«
»Nein. Sie ist an Land.«
»Und Luis hat Mary-Anne noch nicht getötet?«
»Im Gegenteil! Er hat mehr Gehirn als Sie. Er hat die neue Zeit erkannt.«
»Die neue Zeit? Du Idiot!«
»Wir werden ehrlich.«
»Aufhören!« schrie Dalques. »Ich falle gleich vor Lachen vom Himmel! Ihr vergeßt wohl, daß es mich noch gibt?«
»Sie sitzen in einem Boot, das schon leck geschlagen ist, Don Fernando. Hören Sie einen guten Rat: Kehren Sie um und vergessen Sie alles, was gewesen ist. Machen Sie allein weiter, wenn Sie das können. Verdammt, man kommt in die Jahre, da will man seine Ruhe haben! Wir vertrauen auf Dr. Rainherr. Er wird uns schon hinkriegen. Wenn er es beim Kapitän geschafft hat …«
»Sie können sich aber schlecht zu ihm ins Bett legen«, sagte Dalques gehässig. »Das war doch Mary-Annes Therapie.«
»Ende!« brüllte McDonald. »Sie sind und bleiben ein Sauhund, Fernando. Ich schwöre Ihnen, sobald Sie über uns auftauchen, ballere ich los! Sie kennen ja unsere elektronischen Zielgeräte – wir treffen Sie unter Garantie!«
Die Verbindung brach ab. Fernando Dalques drosselte die Motoren etwas und blickte über die strahlend blaue, leicht gekräuselte Fläche der karibischen See. Zwei große weiße Luxusdampfer durchfurchten unter ihm das Meer …
Touristenschiffe auf der Fahrt nach Jamaika: 14 Tage Karibik … Ein Erlebnis, das man nie vergißt! Eine Zauberwelt voller glücklicher fröhlicher Menschen … Das moderne Paradies!
Fernando Dalques wurde es ganz schwer ums Herz. Wo waren die Zeiten hin …?
Er hatte genug Benzin an Bord, um bis zum späten Nachmittag in der Luft zu bleiben und dann, auf dem Rückflug, in Puerto Rico aufzutanken. Einen Augenblick überlegte er, ob er nicht doch die Landung auf dem kleinen Flugplatz von Saba wagen sollte. Wenn man die Maschine steil herunterdrückte und dann am Anfang der Rollbahn aufsetzte, konnte es gelingen. Der Start war dann weniger problematisch, da konnte man mit Vollgas auf beiden Motoren die Maschine hochreißen und sich aus der Umklammerung des Vulkans befreien …
Aber warum? dachte Fernando dann. Was hat das alles noch für einen Sinn? Mary-Anne, die geliebte Korsarin der Karibik, gab es nicht mehr. Damit mußte man sich abfinden. Was blieb, war nur noch die Rache. Die Rache an Andreas Rainherr weiter nichts. Und sie muß vernichtend sein …
Dalques kontrollierte Kompaß und Fahrtroute. Er drehte etwas nach Westen bei und stieg 1.000 Meter höher. Wie wird es weitergehen, dachte Fernando. Die Firma ist ohne Mary-Anne pleite. Ohne die Seeräuberei sind wir nicht lebensfähig. Vom Export der Häute und der indianischen Kunst zu leben würde ein Hungerleben bedeuten. Ob man nicht doch noch einmal mit Mary-Anne reden sollte? Soll so eine jahrelange Freundschaft einfach zerbrechen? Mit einer Million Dollar könnte man sich zufriedengeben … das wäre ein anständiger Abschied nach diesen Jahren gemeinsamen Kampfes. Mit einer Million Dollar konnte man dem Rest des Lebens sorglos entgegensehen …
Mehr Gas … Nun war er entschlossen. Er wollte am frühen Nachmittag über Saba sein und versuchen, noch einmal mit Mary-Anne zu sprechen.
XIX
»Fernando ist unterwegs«, sagte Luis de Vegas.
Er hatte von der GOTLAND die Meldung bekommen, daß Dalques im Anflug sei und mit McDonald gesprochen habe. Er setzte sich zu Dr. Rainherr, Joanna und Dr. Meier XXIII auf die überdachte Veranda und goß sich ein Glas Orangensaft mit weißem Rum ein.
In den vergangenen Stunden hatte de Vegas mit Rainherr kaum ein paar Worte gesprochen.
»Er ist – wie alle um sie herum – in Mary-Anne verliebt!« hatte der Arzt später erklärt. »Auch wenn keiner eine Chance hat, sie betrachten Mary-Anne als zu ihnen gehörig. Das ist selbstverständlich, Rainherr, für diese harten Kerle ist eben Mary-Anne die ganze Welt! Ihre eigene Welt, die sich in dauernder Fehde mit der normalen Welt befindet. Und nun kommen Sie daher und nehmen nicht nur
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