Geliebte Korsarin
Tode in Bruchteilen von Sekunden. Daher wohl auch die golden umränderten Visitenkarten – auf seinem Gebiet war er König.
In großer Ruhe durchstreifte Vargas dann das Haus.
Er erschoß den indianischen Boy beim Blumengießen im gläsernen Wintergarten, die Köchin Dominga am Herd, als sie Bratensauce anrührte, die jüngere Tochter – Reja – am Flügel, als sie gerade eine Sonate von Mozart übte und mit dem Fis nicht zurechtkam, und zuletzt die Frau des Hauses, Doña Carmencita, die im Salon saß und an einer Filetdecke stickte.
Nach dieser schnellen Arbeit erlaubte sich Vargas an der Hausbar einen Drink aus Orangensaft, Rum und einem Spritzer Angostura bitter, der ihn sehr aufmunterte.
Dann setzte er sich in seinen Cadillac und fuhr hinaus auf die Felder der Taboras.
Seine Organisation hatte gute Arbeit geleistet. Er kannte von Fotografien die ganze Familie Tabora und hatte sich die einzelnen Gesichter genau eingeprägt.
So traf er den zweiten Sohn, Giulmielmo, im Maissilo und gab ihm einen Genickschuß, so vollendet, daß dieser gar nicht merkte, daß er starb …
Den dritten Sohn, Pietrino, traf er in der Bananenplantage, unterhielt sich mit ihm über Schädlingsbekämpfung und drückte die Pistole ab, als Pietrino unwirsch sagte, er habe anderes zu tun, als dummes Zeug zu reden. Wie sein Vater erhielt er ein Loch zwischen den Augen.
Und immer wieder machte der Schalldämpfer nur plopp. Keiner hörte etwas.
Jetzt fehlte nur noch die 18jährige Tochter Joanna.
Im Haus war sie nicht gewesen. Auf den Feldern war sie auch nicht. Die indianischen Arbeiter, die Vargas fragte, hatten sie seit dem Morgen nicht mehr gesehen. Weggefahren war sie aber auch nicht … Ihr Jeep, den sie immer benutzte, stand vor der Tür des Hauses. Das hatte Vargas gesehen.
Raimondo Vargas kam in Zeitnot und begann zu schwitzen. Bisher war alles so glatt verlaufen, wie es die Organisation geplant hatte. Nach Joannas Tod sollte dann später – vielleicht nach sechs Wochen, in denen man offiziell Erben suchte – der Bruder Amerigo Tabora aus Panama auftauchen und die Hinterlassenschaft übernehmen.
Wo aber – zum Satan – steckte diese Joanna?
Noch einmal durchsuchte Vargas das ganze Haus, in dem jetzt nur Tote herumlagen, vom Keller bis unters Dach. Joanna blieb verschwunden.
Fluchend rannte Vargas umher. Es durfte keinen Überlebenden der Familie Tabora geben. Nicht nur der ganze Plan wäre zusammengefallen, sondern Raimondo Vargas hätte dann seine gut funktionierende Pistole gegen sich selbst richten können. Mangelnde Perfektion ist bei größeren Unternehmen immer ein Liquidierungsgrund.
So vollkommen die Vorbereitungen der ›Gesellschaft‹ gewesen waren, eines hatte man versäumt: einen genauen Grundriß des Hauses der Taboras! Zwar hatte man die Bauakten fotokopiert, aber im Laufe der letzten Jahre hatte die Familie umgebaut, und diese Umbauten standen nicht in den Akten.
So gab es zum Beispiel einen neuen Abwasserkanal, den César hatte bauen lassen, nachdem sich herausgestellt hatte, daß nach gewaltigen Tropenregen manchmal die Keller unter Wasser standen, weil es einfach nicht ablaufen konnte.
Dieser neue Kanal nun leitet das Regenwasser in eine tiefgelegene Schlucht, wo es einen Bach auffüllte.
Hier, in diesem trockenen Schacht, hockte Joanna Tabora und wartete.
Während Vargas oben ihre Mutter Carmencita erschoß, hatte sie die tote Köchin gefunden, dann in der Halle den gleichfalls toten Bernardo und hatte daraus gefolgert, daß jemand unterwegs war, sie alle auszurotten.
Alarm schlagen? Das wäre jetzt sinnlos gewesen; es war ja niemand in der Nähe, der helfen konnte.
So flüchtete Joanna in den Abflußschacht, kroch in ihm ein ganzes Stück weiter, und, als sie merkte, daß ihr niemand folgte, robbte sie weiter bis zum Ausgang, bis zu dem Felsvorsprung, aus dem die Betonröhre heraustrat und bei Hochwasser die Wassermassen in den Bach darunter, ausspuckte.
Hier blieb sie bis in die Nacht.
Von Santa Anna aus hatte man längst Alarm gegeben, denn Arbeiter hatten den erschossenen Pietrino in den Bananen gefunden, den anderen Bruder im Maissilo, und als man die Morde dem alten Don César melden wollte, betrat man das entsetzliche Totenhaus.
Wieder landeten Hubschrauber in Santa Anna, diesmal die Polizei aus Monteria. Das Ergebnis der Untersuchungen war erschütternd: Die ganze Familie Tabora war ausgelöscht worden. Zwar fand man die Tochter Joanna noch nicht, aber es war so gut wie sicher,
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