Geliebte Korsarin
konnten.
Saba. Das letzte Geheimnis der Piratin Mary-Anne Tolkins.
Und ihre letzte Zuflucht.
»Maschinen volle Kraft«, sagte Rainherr.
Juan betätigte die Hebel. Im Innern der ALTUN HA röhrten die schweren Motoren auf, die das Schiff allen anderen wegrennen ließen.
»So! Und jetzt gehe ich hinunter und werde der Dame zeigen, daß man mir nicht einfach davonlaufen kann!«
Rainherr blieb am unteren Ende der Treppe stehen und sah Joanna an.
Sie saß im Salon, mit dem Rücken zu den großen Fenstern, und hatte vor sich eine Flasche mit Cognac stehen. Das Glas, ein großer Schwenker, war halbvoll. Sie schien schon einen kräftigen Schluck genommen zu haben, denn nach dem Feuchtigkeitsrand im Innern des Glases war es mindestens dreiviertelvoll gewesen.
Sie konnte von ihrem Platz aus den Niedergang von dem oberen Steuerstand nicht sehen, die Geräusche wurden vom Rumoren der Motoren übertönt.
Joanna weinte nicht mehr, nur ein leichtes Zucken durchlief noch ab und zu ihren Körper. Sie hatte ihr Haar straff nach hinten gezogen und einen Knoten geschlungen. Ihr Gesicht, das Rainherr jetzt im Profil sah, schien kleiner und kindlicher geworden zu sein. Ein Mensch, dachte er, der nach innen kriecht, um sich dort vor sich selbst zu verstecken.
Mit zitternder Hand griff Joanna nach dem Cognacschwenker und setzte ihn an die Lippen.
»Es ist keine Lösung der Probleme, sich zu besaufen!« sagte Andreas laut.
Mit einem hellen Schrei fuhr Joanna herum. Das Glas fiel aus ihrer Hand und zerschellte am Boden. Sie starrte ihn wie eine Geistererscheinung an und streckte sogar beide Arme abwehrend nach ihm aus.
Rainherr kam näher. Er bückte sich, sammelte die Glasscherben auf und legte sie in den großen Aschenbecher auf dem Tisch.
»Ich bin es wirklich«, sagte er dabei. »Beruhige dich, Liebling, du hast kein Delirium und siehst auch keine Geister. So viel kannst du doch nicht getrunken haben …«
»Du bist verrückt, Andreas«, stammelte Joanna. »Du bist total verrückt!«
»Das ist nichts Neues.«
Er setzte sich neben sie auf die Polsterbank und drückte erst einmal ihre immer noch wie abwehrend ausgestreckten Arme herunter. »Ich finde das eine ideale Kombination: Eine Korsarin und ein Verrückter lieben sich und haben die Flucht ins Unbekannte angetreten! Wenn das keine Story ist … Hollywood zahlt mindestens eine Million Dollar dafür.«
Er lachte ihr ins Gesicht, weil sie sich immer noch mit Beißen und Kratzen wehrte.
»Ich tu dir doch nichts, Liebling. Nicht einmal vergewaltigen werde ich dich, obgleich ich dich wie ein kleines Kind übers Knie legen müßte. Aber du bist mir dafür viel zu schade …«
»Was willst du hier?« sagte sie, und ihre Stimme war fester geworden.
Aha!, dachte er erfreut. Die alte Mary-Anne Tolkins bricht wieder durch! Sie kapituliert nicht.
»Das ist mein Schiff!«
»Mit meinem Steuermann an Bord!«
»Aber freiwillig! Kann ich nicht mit meinem Boot auslaufen, wann ich will?«
»Nur bedingt.«
»Was heißt das?«
»Du hast an meiner Mole gelegen, warst Gast in meinem Haus, ich habe dir alles, was ich besitze, zu Füßen gelegt … Du warst seit gestern die Herrin der Westendbucht. Da läuft man doch nicht einfach bei Nacht und Nebel davon …«
»Es ist kein Nebel. Wir haben klaren Mondschein.«
»Liebling«, er lächelte wieder, »Sarkasmus ist nicht deine Stärke!«
»Ich bin ein freier Mensch!«
»Wirklich?« Er lehnte sich zurück. »Ich dachte bis gestern – ja, ich hätte jeden Eid darauf geleistet –, daß wir für immer zusammengehören …«
»Es hat sich vieles geändert, Andres …«
»Bei dir? Dann sag es mir offen. Wenn deine Argumente akzeptabel sind, springe ich über Bord und schwimme nach Hause zurück.«
Sie starrte ihn entsetzt an. »Das sieht dir ähnlich! In ein Meer voller Haie zu springen!«
»Was kümmert dich das noch? Sag, was hast du vorzubringen? Was hat sich geändert?«
»Ist das ein Verhör?«
Sie stand rasch auf, ging zu einem Wandschrank und holte einen zweiten Cognacschwenker heraus. Rainherr zog die Flasche an sich. Sie nickte und hob dann angriffslustig die Schultern. »Ich habe noch mehr Flaschen an Bord.«
»Ich feuere sie alle an die Wand, wenn du damit ankommst! Korsarenmanieren!«
»Wenn ich mir das gefallen lasse! Andres, ich warne dich! Du wolltest wieder eine Joanna Tabora aus mir machen, aber ich sehe ein, daß es besser ist, Mary-Anne Tolkins zu bleiben!«
»Also bitte, Mary-Anne!« Er schlug die Beine
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