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Geliebte Korsarin

Geliebte Korsarin

Titel: Geliebte Korsarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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denken: Der Alte wird schon wieder vernünftig werden.«
    »Wird er das?«
    »Ich glaube, ich bin in den letzten Jahren noch nie so vernünftig gewesen wie heute. Ich liebe dich – und damit beginnt ein neuer, der schönste Teil meines Lebens.«
    Väter sehen oft ihre Kinder ganz anders, als sie in Wahrheit sind. Auch Andreas Rainherr irrte sich in seiner Tochter.
    Sie war, wie ihr Vater, eine Frühaufsteherin. Vor dem Frühstück schwamm Annette immer eine halbe Stunde in dem großen Meerwasserschwimmbecken, dann duschte sie, zog sich an und ging mit Mr. Ben im Garten spazieren.
    Die eingeborene Köchin hatte unterdessen den Tee aufgegossen und frische Brötchen gebacken. Der junge Boy, ein Mulatte, hatte den Tisch auf der Säulenterrasse gedeckt … das war eine eingespielte Morgenzeremonie.
    Wenn Rainherr nicht zu Hause, sondern auf einer seiner einsamen, von Rache getriebenen Haijagden, auf denen ihn nur Juan Noales begleiten durfte, war, rief Annette nach dem Frühstück die Fabriken ihres Vaters der Reihe nach an. Sie sprach mit den Betriebsleitern und trug gewissenhaft in eine dicke Kladde alle Neuigkeiten ein, alle Zahlen, Berichte, Beschwerden und Wünsche. Kam ihr Vater zurück, brauchte er nur Annettes Notizen durchzulesen, um über alles unterrichtet zu sein und erneut aktiv in die Geschäfte eingreifen zu können.
    »Du bist der beste ›Generalbevollmächtigte‹ der Welt!« hatte Dr. Rainherr einmal zu ihr gesagt. »Ich glaube fast, meine Geschäftsführer haben vor dir mehr Angst als vor mir!«
    Aber an diesem Morgen war alles anders.
    Annette erwachte viel später als sonst. Sie hatte in der Nacht lange wach gelegen und über ihren Vater und Joanna Tabora nachgedacht. Nach der ersten, wilden instinktiven Abwehr, nach der verzweifelten Schlacht um das Andenken ihrer geliebten Mutter, nach diesem Umsichschlagen nach allen Seiten, hatte sie nun die Ruhe gefunden, nicht nur ihren Impulsen zu folgen, sondern ihren klaren Verstand einzusetzen. Was Rainherr ›präzise denken‹ nannte, gewann bei Annette in den langen Nachtstunden langsam wieder die Oberhand.
    Mutter war tot, von einem Hai vor ihren Augen zerfleischt. Seitdem war sie in diesem Haus allgegenwärtig … aber es war ein Andenken, das langsam begann zu verblassen. Sie hatte schon manchmal bemerkt, wie ihr Vater aus dieser Totengruft, die das weite Haus geworden war, heimlich ausbrach … Nicht nur, um Rache an den Haien zu nehmen, sondern auch um auf Grand Cayman, auf Jamaika oder drüben in Mexiko – unbeobachtet von der immerwährenden Totenwache seiner Tochter Annette – eine andere Frau zu lieben. Flüchtige Abenteuer eines Mannes, der eben ein Mann war und keinen mehr zu fragen hatte; der auch frei sein konnte von Gewissensqualen, denn die Liebe zu einer Toten ist etwas grundlegend anderes als die Liebe zu einem lebenden, heißen hingebenden Körper.
    Zuerst war diese Erkenntnis für Annette furchtbar gewesen. Das Idealbild ihres Vaters wurde angekratzt, bekam Narben … aber es wurde menschlicher. Wie bei allen Töchtern, die aus dem Stadium der Kindheit in die verstehende Phase des Lebens eintreten, war es ihr zunächst ekelerregend, ja geradezu widerlich, ihren Vater bei einer anderen Frau im Bett zu wissen, in Situationen, die ihre Phantasie noch steigerte. Bilder von orgiastischen Szenen tauchten vor ihr auf … Es war ihr einfach unverständlich, daß ihr Vater so etwas tun konnte.
    Das legte sich später.
    Rainherr, wie alle Väter in Dingen, die ihre Töchter betreffen, blind, hatte nicht bemerkt, daß in Spot Bay, einer der kleinen Siedlungen auf Cayman Brac, ein britischer Student der Ozeanographie vier Monate lang lebte und sich in dieser Zeit in Annette verliebte.
    Es war ihre erste wirkliche Liebe. Als Leslie Carper aus Brighton wieder nach England zurückflog, ließ er eine zwar traurige, aber gereifte Annette zurück. Sie hatte jetzt Verständnis für ihren Vater. Ihr eigener Körper hatte einen neuen, einen wesentlichen Teil des Lebens erfahren.
    Das änderte allerdings nichts an ihrer Einstellung zum Andenken an ihre Mutter. Das blieb ein Heiligtum. Sie tolerierte die Ausflüge ihres Vaters, aber als er jetzt eine neue Frau ins Haus mitbrachte, die ihre Mutter ersetzen sollte, spreizten sich in Annette alle Stacheln der Abwehr.
    Es war eine lange und unruhige Nacht, die sie hinter sich hatte. Mr. Ben hatte ein paarmal leise geknurrt, als höre er etwas von draußen, aber dann lag er weiter still zu Füßen des Bettes

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