Geliebte Korsarin
niedrigen Glastisch stand. Er hatte schon drei Gläser getrunken … Verdammt, es ist schwer, sich einzugestehen, daß man im tiefen Innern Angst vor seiner Tochter hat, dachte er. Angst vor dieser Alternative, die doch eigentlich nicht sein dürfte: das Kind oder die neue Frau! Aber das eine war doch möglich, mußte möglich sein: das Kind und die neue Frau. Darum mußte er jetzt kämpfen …
»Warum haßt du Joanna?« fragte er, nachdem er das vierte Glas ausgetrunken hatte. Annette hatte ihm stumm zugesehen. »Du kennst sie nun gerade eine Stunde …«
»Die genügt mir!«
»Eine typische, flapsige Antwort, die zu deinem Alter paßt!«
»Man mag einen Menschen, vom ersten Blick an – oder überhaupt nicht!« antwortete Annette laut. »Diese Weisheit stammt auch noch von dir …«
»Sie stammt nicht von mir … das Leben ist so!«
»Na also, ich mag sie eben nicht.«
»Ohne jeglichen Grund …«
»Muß man für jede Abneigung einen Grund haben?«
»Nein. Aber man sollte – auch das ist eine alte Lebensweisheit – nichts tun, ohne es genau zu überlegen, und ein Ja oder ein Nein sollte man immer begründen können.«
»Ich kann dir nichts anderes sagen, Paps …« Annette holte tief Atem. Ihre Stimme schwankte trotzdem etwas. »Wenn du sie heiratest, Paps, dann schick mich zu Tante Irmgard nach Wuppertal.«
»Du bist ja wohl total übergeschnappt!« sagte Rainherr heiser.
»Ich weiß genau, was ich will. Ich werde versuchen, mein Abi zu machen und Biologie zu studieren. Du selbst hast mich so erzogen, selbständig zu sein. Ich schlage mich schon durch.«
Rainherr sprang auf und winkte ab.
»Ich höre mir diesen Blödsinn nicht länger an«, sagte er scharf. »Ich kann von dir, der du ein erwachsener Mensch sein willst, verlangen, daß du ein Eigenleben deines Vaters respektierst und tolerierst. Das ist doch das mindeste! Überleg dir bitte in Ruhe, ob du deinen Vater, den du doch wohl liebst, so behandeln kannst.«
»Du wirst immer mein Vater bleiben … auch mit dieser … dieser Frau!«
»Wie gütig!« Rainherr trug die Cognacflasche zu einem Wandschrank und stellte sie hinein. »Wie soll nach den Wünschen meiner Tochter das Leben also weitergehen?«
»Mußt du sie denn heiraten?«
»Nein! Ich will sie heiraten.«
»Du hast doch schon manche Geliebte gehabt …«
»Aha! Das Töchterchen kommt aus der Reserve! Es hat beobachtet und geschwiegen. Warum denn bisher?«
»Alle diese Frauen waren Erlebnisse für dich, das kann ich auch verstehen. Aber diese Frau … ist gefährlich!«
»Das Kind mit der großen Lebenserfahrung! Mach dich doch nicht lächerlich, Annette!«
»Keine andere Frau bisher konnte Mama aus deinem Herzen vertreiben, aber sie konnte es.«
»Danke Gott dafür! Du weißt, Annette, daß ich deine Mutter sehr geliebt habe. Ich habe auch immer geglaubt, solch eine Liebe könne nur einmal vorkommen. Aber das war ein Irrtum, mein Küken … So, wie alles auf der Welt, ist auch der Mensch einer ständigen Wandlung unterworfen. Als ich deine Mutter heiratete, war sie die große Liebe meiner Jugend. Wenn ich nun Joanna heirate, so ist sie die große Liebe eines reifen Lebens. Dazwischen liegt ja ein ganzes Menschenalter, Annette. Dazwischen liegen Erfahrungen, liegt auch der verdammte Hai, der alles veränderte. Und alles Menschliche hat einmal einen Abschluß. Die Unendlichkeit ist weit um uns … verstehst du, was ich damit sagen will?«
»Ja, Paps.« Annette nickte. »Aber verstehe du doch bitte auch, wenn es mir unmöglich ist, diese fremde, wunderschöne Frau immer um mich zu haben. Das kann ich einfach nicht …«
Sie senkte den Kopf, schlug beide Hände vor das zuckende Gesicht und lief schnell hinaus.
XIV
In der Nacht darauf sah Rainherr, wie Juan, den schweren Metallkoffer auf den Schultern, hinter Joanna über die Terrasse schlich und wie sich beide ängstlich bemühten, jedes Geräusch zu vermeiden.
Sie gingen auf Zehenspitzen zur Treppe und begannen den Abstieg zur Bucht über die lange Felsentreppe.
Rainherr saß im Dunkeln und dachte nach. Er hatte etwas Ähnliches geahnt. Nach einem wortkargen Abendessen hatte sich Joanna von ihm mit einem flüchtigen Kuß verabschiedet.
»Ich bin richtig müde«, hatte sie gesagt. Und er hatte geantwortet: »Ich dachte, wir würden noch ein wenig zusammensitzen … wir drei …«
Darauf war Annette als erste aufgestanden und hatte sie verlassen.
»Morgen, Liebster«, hatte Joanna nur gesagt. Und war mit einem traurigen
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