Geliebte Kurtisane
angespannt, seine Schultern seltsam starr im Gegensatz zu seinen sonst so flüssigen Bewegungen. An der Haustür griff er stumm nach der Klinke, griff daneben, griff erneut.
Jessica blieb ein paar Schritte hinter ihm. „Sir Mark, ich bin Ihnen die Wahrheit schuldig.“
Kein einziges Mal hatte er sie angesehen, seit er sie aus dem Salon gelassen hatte. Nun straffte er die Schultern und warf ihr einen kurzen Blick zu, ehe er sich wieder zur Tür wandte und die Klinke niederdrückte.
„Die Wahrheit ist mehr als offensichtlich.“ So deutlich seine Worte, so sanft war sein Ton. „Ich war vorhin zu harsch mit Ihnen. Aber bitte, sprechen Sie nicht mehr davon.“
Genauso gut hätte er sagen können: Sprechen Sie nicht mehr mit mir . Denn darauf würde es hinauslaufen.
„Aber ich schulde Ihnen die Wahrheit, weshalb ich es getan habe.“
Er drehte sich nicht um, ließ aber die Klinke los.
„Ich habe es getan“, sagte sie, „weil ich Sie hasste.“
Nun drehte er sich doch um und sah sie – endlich – richtig an. Den meisten Männern hätte ihr Bekenntnis kein Lächeln entlockt. Und zugegeben, glücklich sah sein Lächeln auch nicht aus. Eher irritiert, als hielte er gespannt den Atem an.
„Ich habe Sie dafür gehasst“, fuhr sie fort, „dass Sie nichts weiter tun, als jene Regeln zu befolgen, an die respektable Frauen sich jeden Tag ihres Lebens halten. Nur dass Sie dafür gefeiert werden wie ein Held.“ Obwohl sie nichts spürte, rein gar nichts empfand, bebte ihre Stimme. Auch die Hände zitterten ihr. „Eine Frau muss nur ein Mal irren, um auf immer verdammt zu sein, während Männer meinen, sich nach Jahren der Ausschweifungen einfach Ihr albernes blaues Band an den Hut heften und sich als respektable Stützen der Gesellschaft ausgeben zu können. Deshalb kam ich, um Sie zu verführen, Sir Mark. Ich wollte beweisen, dass auch Sie nur ein Mensch sind – kein Heiliger, der solcher Anbetung würdig wäre.“
Längst hatte sie die Stimme erhoben. Doch noch immer nahm sie nichts wahr, außer dem kalten Schweiß ihrer Handflächen, dem Zittern ihrer Arme, die sie sich um den Leib geschlungen hatte. Es schien, als spüre ihr Körper, was ihr Herz nicht mehr fühlen konnte. Auch wenn sie ihm eigentlich nicht die Wahrheit gesagt hatte, waren ihre Worte wahr – allzu wahr.
Schweigend hatte er sie angehört, schweigend sah er sie an. Jessica hielt seinem Blick unerschrocken stand.
„Sie haben recht“, sagte er schließlich. „Ich stimme Ihnen in allem zu und hätte es nicht besser sagen können.“ Dann lächelte er wieder, diesmal kein kurzes Zucken der Mundwinkel, sondern ein richtiges, strahlendes Lächeln. „Oder in fast allem.“ Er lehnte sich an die Tür. „In einem kann ich Ihre Gefühle nicht teilen, denn Sie müssen wissen, dass ich mich eigentlich ganz gern mag.“
Nie zuvor war sie einem Mann begegnet, der die Wahrheit Schmeicheleien vorzog. Er schien einfach zu gut, um real zu sein – ein strahlender Held, reinen und aufrechten Herzens. Ein Held wie aus dem Bilderbuch. Unbestechlich. Ein richtiger Märchenprinz. Und welche Rolle kam ihr in diesem Märchen zu?
„Es erginge Ihnen besser, wenn Sie nicht so schrecklich gut wären.“
„Nein, Mrs Farleigh, das dürfen Sie nicht denken. Bislang waren Sie gegen all diese leidigen Illusionen gefeit. Wie ich Ihnen bereits sagte, ich bin kein Heiliger. Meine Sünden und Versuchungen zehren an mir. Wie schön, dass es endlich jemandem auffällt.“
„Sünden? Sie können nicht meinen, wessen der gemeine Gentleman sich schuldig macht.“
„Schuldig genug“, meinte er achselzuckend. „Mein Stolz ist maßlos.“
„Ach ja?“
„Ach ja.“ Er schaute ihr in die Augen. „Wissen Sie, ich bin keine Trophäe, mit der man sich vor der Welt schmücken kann. Ich bin zu anmaßend, um mich einfach so erobern zu lassen.“
Nun, da hatte sie ja ihre Warnung und ihre Erklärung zugleich. Und es schien ihm ernst. Ihre direkte Herangehensweise hätte niemals funktioniert, selbst wenn er der Sünde mehr zugeneigt gewesen wäre. Nein, hier war mal ein Mann, der sich seinen Lohn redlich verdienen wollte.
„Zudem“, fügte er an, „verbietet mir mein Stolz, nach einer Frau zu verlangen, die mich nicht mag.“
„Das ist keine Frage des Mögens. Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Steigbügel und einer männlichen Jungfrau?“
Er schüttelte den Kopf.
„Die Jungfrau“, sagte Jessica, „lässt sich leichter bezwingen.“
Da musste er
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