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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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herausnehmen konnte, von denen die wohlerzogene Jessica Carlisle nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Bei Tage kümmerte sie sich um das Geschäftliche, führte Buch und besprach sich mit den anderen Kurtisanen, was so alles geschah zwischen Mann und Frau. Und des Nachts … Um zu vergessen, was sie verloren hatte, stürzte sie sich mit Hingabe ins Nachtleben. Zunächst war ihr dieses Leben als endlose Soiree erschienen, bei der die Männer sich geradezu überstürzten, ihr zu Gefallen zu sein.
    In den folgenden Jahren hatte sie festgestellt, dass alle eitle Pracht eine Falle und die Soiree irgendwann vorüber war. Dieses Leben zehrte an einem, es machte die Liebe zum Gespött. Und wenn man sein Herz nicht sorgsam schützte, hatte man es eines Tages gegen seidene Bänder, Juwelen und Tand eingetauscht. Es war nur ein kleiner Schritt, eine einzige falsche Entscheidung, die aus der begehrten Kurtisane eine hohlwangige Hure machten, die alles zu tun bereit war, um zu vergessen, was Männer aus ihr gemacht hatten.
    Eine erfolgreiche Kurtisane, so hatte Jessica gelernt, hatte viel gemein mit einem erfolgreichen Spieler. Wer gewinnen wollte, musste zur rechten Zeit aussteigen. Wer den Absprung verpasste, verlor. Sie hatte alles verloren.
    Jessica zog ihre Chemise aus und hängte sie zum Trocknen vor den Kamin. Ihre Füße versanken in dem weichen, flauschigen Teppich, der zudem wärmer war als ihre nassen Strümpfe, die sie über einen Stuhl breitete. Das Feuer warf flackernden Schein auf ihre Haut. Wahrscheinlich wärmte es auch, doch sie spürte es kaum. Sie spürte überhaupt nichts mehr.
    Sir Mark war ihre letzte Chance. Sie hatte alles auf ihn gesetzt. Und sie hatte ihn falsch eingeschätzt, hatte sich von ihrem Zynismus leiten lassen. Nie hätte sie gedacht, dass er glaubte, was er predigte, dass er sich eine solche Gelegenheit entgehen ließe. Den Männern ihrer Bekanntschaft waren Prinzipien fremd.
    Ihr Fehler. Ein Fehler, den sie sich nicht leisten konnte.
    Es ging ihr nicht ums Geld. Nicht nur. Es ging um all das, was Geld ihr kaufen könnte: die Freiheit, ihrer Vergangenheit zu entkommen, ein eigenes Haus zu haben, irgendwo in einem kleinen Dorf, wo niemand sie kannte, die Sonne warm auf ihrer Haut zu spüren statt nur ihren kalten, grellen Schein. Sie wollte keine dieser elenden Frauen werden – die gescheiterten Cousinen der Kurtisanen –, die Nacht für Nacht an kalter Hauswand ihre Seele an Fremde verkauften, um sich hernach mit Gin trösten zu können.
    Nein, sie nicht. All die Jahre sollten nicht umsonst gewesen sein. Sie würde tun, was sie am besten konnte. Überleben.
    Sollte er sie doch einschließen! Was machte es schon, dass er sie mit Argwohn betrachtete? Dass sie ihm wohl nie wieder ein Lächeln würde entlocken können. Sie würde Sir Mark verführen, auf Teufel komm raus. Sie würde ihre eintausendfünfhundert Pfund erhalten. Sie würde sich ein nettes kleines Häuschen in einem netten kleinen Dorf kaufen, und dort würden sie leben, sie und Amalie, und alles hinter sich lassen, was gewesen war.
    Ein Mal noch musste sie ihren Körper feilbieten. Aber diesmal tat sie es, um ihr Herz freizukaufen. Nichts und niemand, weder die verschlossene Tür noch Sir Marks unerschütterliche Moral, könnten sie aufhalten.
    Sie wusste auch, wie sie es anstellen wollte. Ein Mal hatte sie sich verrechnet. Abermals würde ihr das nicht passieren.
    Sie würde ihm die Wahrheit sagen.
    Bis er sie holen kam, hatte der Regen aufgehört, und Jessicas Kleider waren getrocknet. Er klopfte zweimal, sodass es laut im Zimmer widerhallte.
    „Herein“, rief sie.
    Stille.
    „Sie haben nichts zu befürchten.“ Wahrlich nicht. Ordentlich angezogen saß sie am Feuer. Sie konnte sich keinen Fehler mehr leisten, und sie würde keinen mehr machen.
    Der Schlüssel drehte sich im Schloss, die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, sein Gesicht blieb im Dunkel des Korridors, bis er sich vergewissert hatte, dass keine Gefahr drohte. „Das Wetter sollte sich halten, sodass Sie trocken nach Hause kommen“, meinte er dann, den Blick starr auf das Fenster gerichtet. „Ich hätte Ihnen gern Tee angeboten, aber …“ Er ließ den Rest ungesagt.
    Nun, auf Tee konnte sie gut verzichten.
    „Ich bringe Sie noch hinaus“, sagte er und wandte sich zum Gehen. Als sie aufstand, schmerzten ihr die Glieder, als wäre sie schnell und weit gelaufen. Hier zu sitzen und auf ihn zu warten, war nicht minder anstrengend gewesen. Doch auch er wirkte

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