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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Mark aufs Geratewohl. „Keine Ursache, das ist längst vergessen.“
    Der Mann schüttelte den Kopf. „Oh nein, Sir, wie könnte ich vergessen, was Ihre Frau Mutter für mich getan hat? Ich müsste mich was schämen. Nein, ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Meine Judy ganz allein mit den Kindern …“ Wieder schüttelte er den Kopf. „Bitte, Sir Mark. Wenn Sie es mich nicht zurückzahlen lassen, werde ich die Schande mit ins Grab nehmen.“
    Schande. Mark fühlte es, sowie er an seine Mutter dachte. Ihre endlosen Tiraden, ihren Sturz in den Wahn, der sie zum Gespött des Dorfs gemacht hatte.
    Er trat beiseite und bedeutete seinem Besucher einzutreten. „Bitte, kommen Sie herein.“
    „Oh nein, das kann ich nicht. Ich wollte nicht …“
    „Aber wenn ich Sie doch darum bitte. Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie meine Gastfreundschaft annähmen.“
    Trotz der gesellschaftlichen Höhen, die er erklommen hatte, war Mark dieser einfache Arbeiter sympathischer als der Pfarrer. Der Mann folgte ihm ins Haus. Mark meinte, ein leichtes Humpeln zu bemerken – indes nicht so schwer, dass es ihn behindert hätte oder man ihn gar lahm hätte nennen können. Wahrscheinlich eine alte Verletzung.
    Es schien den Mann nicht zu stören, dass Mark den Tee selbst bereitete, er sagte auch nicht Nein zu Butterbrot und Marmelade oder fragte, warum Mark keine Bediensteten habe, die derlei für ihn erledigten. Trotz Reichtum und Würden, zu denen sein Bruder mittlerweile gelangt war, zählten zu Marks ersten und lebhaftesten Erinnerungen, wie er den Boden fegte und seine Schwester den Abwasch machte. War er jetzt bei seinem Bruder zu Besuch, musste er sich stets beherrschen, nicht alles selbst zu machen – die Zeitung holen, seinen Rock überziehen. Stattdessen hatte er zu warten, bis die Zeitung gebracht wurde, oder still zu stehen, während der Kammerdiener ihm in den Rock hineinhalf.
    „Ich hüte jetzt Browsers Schafe“, sagte der Mann. „Meine Frau, Sie erinnern sich – Judith Taunton …“
    „Taunton“, sagte Mark und dachte nach. „Doch, ich entsinne mich.“ Die Erinnerung war nur vage. Ein armseliges Zimmer im Dorf, eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern. Seine Mutter hatte sie besucht, Mark hatte sie begleitet. Er hatte seine Mutter immer begleitet. „Das ist Jahre her. Jahrzehnte.“
    „Das ist es“, bestätigte Mr Taunton und erwiderte nun endlich Marks Blick. „Muss noch vor meiner Deportation gewesen sein. Ich weiß nicht, was aus meiner Judy geworden wäre, wenn Ihre Mutter nicht geholfen hätte.“
    „Ah ja.“
    „Ja“, sagte Taunton steif. „Also, in meiner Jugend ist es ein bisschen mit mir durchgegangen.“ Er straffte die Schultern. „Ich war mit dabei, als sie die Fabrik abgefackelt haben – Sie wissen schon, nachdem man die neuen Maschinen eingeführt und die Hälfte von uns Arbeitern entlassen hatte.“ Er riskierte einen kurzen Blick auf Mark und wurde rot. Vielleicht war ihm gerade eingefallen, dass besagte Fabrik Marks Vater gehört hatte. „Ich erhielt meine gerechte Strafe. Ihrer Mutter verdanken meine beiden Jungs, dass sie trotzdem was zu beißen hatten, während ich nicht für sie sorgen konnte. Ihre Mutter hat mir die Rückfahrt gezahlt, als ich meine Strafe abgebüßt hatte, hat eine neue Stelle für mich gefunden und eine Bürgschaft für mich hinterlegt, weil sonst niemand einen Verbrecher eingestellt hätte.“
    „Nun, das mag wohl sein“, sagte Mark. „Aber zunächst einmal war es mein Vater, der Sie entlassen hat. Damit dürften wir quitt sein.“ Seine Mutter hätte es genauso gesehen. Verrückt war sie wohl, doch dabei von einer bisweilen geradezu erschreckenden Klarheit in allem, was sie tat. Hab und Gut ihrer Familie hatte sie verkauft, um den Armen zu helfen. Für sie waren das keine Almosen, für sie war es Gerechtigkeit.
    Mr Taunton sah ihn an. „Verzeihen Sie, Sir, das sehe ich nicht so. Ich stehe zutiefst in Ihrer Schuld.“ Er rieb sich den sonnenverbrannten Schädel. „Aber ich will nicht darum streiten. Weshalb ich gekommen bin … also, ich habe einen Hund, eine Hündin – gutes Tier, der beste Hütehund in ganz Somerset. Schottischer Hirtenhund“, sagte er, und mit einem Mal strahlten seine Augen. „Vor ein paar Monaten war sie läufig. Daisys Welpen sind in der gesamten Grafschaft begehrt. Fünf Stück hat sie diesmal geworfen, sieben Wochen sind die Kleinen jetzt alt. Vier sind bereits vergeben, aber den fünften habe ich zurückgehalten, weil

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