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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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„Oje“ gesagt hatte. Sie spürte noch einmal die leichte Berührung seines Mundes auf dem ihren nach. Doch bei diesem einen Kuss wollte sie es nicht bleiben lassen.
    Sie wollte noch einen. Und noch einen. Sie wollte seine Hände fühlen, nicht nur die keusche Berührung der Fingerspitzen.
    Statt kalter Angst wollte sie seine Wärme, sein Verlangen.
    In ihrer Fantasie war er nackt, und sie bediente sich dessen, was sie wahrnahm, als ihre Hand auf seinem Arm lag. Schlank war er, aber muskulös, mit straffen, kräftigen Konturen. Die Vorstellung ließ Jessica leise erschauern, und ihre Lider senkten sich flatternd. Sie hatte seinen Rock getragen und wusste, dass keine Staffage nötig war, ihm diese breiten Schultern zu bescheren.
    Der Gedanke an seinen Rock rief ihr seinen Duft in Erinnerung, der sie umfangen hatte wie eine warme Decke in kalter Nacht. Sir Mark roch männlich und rein, ein Hauch von Meeresbrise und Linnenstärke. Kein Parfüm, keine Pomade, nichts, das strengere Gerüche verdecken wollte. Genau so würde seine Haut riechen – fein und verlockend, wie Sommersonne und klares, kaltes Quellwasser.
    In ihrer Fantasie berührte sie ihn nicht weiter. Dessen bedurfte es nicht. In ihrer Fantasie gab es keinen Grund, seine Lust über die ihre zu stellen, ihre eigenen Bedürfnisse außen vor zu lassen, um die seinen zu befriedigen. Nein, er dachte an sie . Er berührte sie. Er tat alles ihr zu Gefallen.
    Es geschah nur hier, in ihrer Einbildung, aber oh, sie wollte ihn so sehr! Und es war lange her, dass sie überhaupt etwas gewollt hatte, geschweige denn einen Mann.
    In der nächtlichen Einsamkeit gestattete sie sich, nach ihm zu verlangen, ohne Hintergedanken und Kalkül, ohne auf die Wirkung jeder Berührung bedacht zu sein. In der Sicherheit ihres eigenen Bettes konnte sie ihn nur für sich, ganz für sich haben.
    Sie rang nach Atem, spürte die kühle Nachtluft auf ihren Lippen. Sie berührte sich, gewann ihren Körper zurück, den sie vor Jahren anderen überlassen hatte: ihre Brüste, ihre Schenkel.
    Sie stellte sich vor, seine Hand statt der ihren auf ihrer Brust zu spüren. Seinen Mund. Seine Hände auf ihren Schenkeln, ehe seine Finger die kleine Knospe fanden.
    Es gehörte niemandem, dieses taumelnde Lustgefühl. Niemandem außer ihr selbst. Ihr Verlangen, ihr Begehren. Sonst niemand. Niemand anderen galt es zu befriedigen. Es gab keinen Grund, etwas vorzuspielen, einen anderen zu erregen.
    Der Höhepunkt ließ sie erbeben. Doch es war mehr als das, stärker, mächtiger. Ihr wären schier die Tränen gekommen vor Entzücken.
    Alles ihres.
    Endlich gehörte sie sich wieder selbst, hatte sie ihren Körper und ihre Seele zurückgewonnen, mit all ihren Freuden und Nöten. Alles war wieder das Ihre, nachdem es lange, bittere Jahre anderer Besitz gewesen war.
    Sie war wieder sie selbst.
    Zitternd holte sie Luft, öffnete die Augen und blickte in die Dunkelheit.
    Sie dachte an Mark. „Oh“, seufzte sie und atmete tief aus. „Oje.“

9. KAPITEL
    D ie Gestalt, die am folgenden Abend vor Marks Tür stand, war längst nicht so anziehend wie jene, die ihn Tage zuvor aufgesucht hatte.
    Es war kurz vor dem Dinner, die Sonne schien noch warm. Sein Besucher trug trotzdem eine wollene Jacke, schon recht abgestoßen und mit schmutzigen Manschetten. Sein Gesicht war das eines Mannes, der die meiste Zeit im Freien zubrachte – wettergegerbt und runzlig. In den Händen hielt er einen formlosen Hut aus dunklem Tuch, den er nervös hin und her drehte, den Blick hielt er gesenkt.
    „Was kann ich für Sie tun?“, fragte Mark.
    Der Mann roch nach Schweiß – nicht der Geruch der Londoner Stadtstreicher, sondern der kräftige, ehrliche Schweiß dessen, der tagein, tagaus hart arbeitet.
    Der Hut wanderte von einer schwieligen Hand in die andere. „Ich … ich wollte … Sie müssen wissen, Sir, meine Frau und ich … also, wir nehmen keine Almosen. Ich würde Ihnen ja gern danken, aber …“
    Etwas am Ton des Mannes, daran, wie er Marks Blick auswich, ließ vermuten, dass er von einer anderen Art des Danks sprach, nicht die gefälligen Erkenntlichkeiten, die er von reichen Städtern gewohnt war. War er dem Mann schon einmal begegnet? Prüfend sah er ihn an, versuchte sich zu erinnern, ob er ihn von früher kannte. Doch selbst wenn Runzeln und Falten nicht jede Ähnlichkeit genommen hätten, waren seine Kindheitserinnerungen längst zu einem verschwommenen Nebel geworden.
    „Sie brauchen mir nicht zu danken“, sagte

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