Geliebte Myriam, geliebte Lydia
da!' sauste ich dann zur Tür hinaus.
Ich sauste die Gänge entlang, bis ich vor der Tür angelangt war, hinter der ich Clemens und Florian wußte und Klein-Barbara ahnte. Ich hielt mein Ohr an die Tür und lauschte und war nicht sicher, ob ich was hörte oder nicht. Dann faßte ich mir ein Herz und klopfte leise - einmal, zweimal, dreimal; hierauf rief ich leise meinen Namen. Nun waren drinnen eindeutig irgendwelche Geräusche zu hören; es klang so, als ob auf einmal hektische Aktivität ausgebrochen wäre. Und plötzlich hörte ich, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte, und im nächsten Moment ging die Tür einen Spalt auf, und im spärlichen Licht erkannte ich das leicht verstörte Gesicht unseres Clemens. 'Ah - Herr Deuschl!' war alles, was er herausbrachte.
'Entschuldige, Clemens', flüsterte ich. 'Aber ist zufällig die Barbara bei euch?'
'Die Barbara ...', japste er.
'Naja, ihre Eltern sind schon sehr in Sorge ... Schließlich ist es schon Mitternacht.'
Er drehte sich um, und dabei sah ich, daß er einen hochroten Kopf hatte. Dann wandte er sich wieder mir zu und flüsterte: 'Okay! Ich schick' sie sofort heim!'
'O nein!' widersprach ich energisch. 'Du wirst sie sofort heimbegleiten, klar?'
'Ja, ja, selbstverständlich!' stammelte er verlegen. 'Ich werde sie natürlich begleiten!'
Nun hätte ich eigentlich wieder gehen können, aber jetzt stach mich der Hafer, und ich fragte: 'Übrigens - alles okay?'
Da strahlte er übers ganze Gesicht und nickte heftig.
'Der Florian schläft vermutlich?'
'Schon längst!'
'Und ... habt ihr schon eine Ausrede für Barbaras Eltern?'
'Ach, brauchen wir nicht! Die sind aufgeklärt und liberal.'
'Na gut. Aber laßt sie jetzt nicht länger warten, gelt?'
'Wird gemacht. Und - danke!' Er strahlte mich noch einmal glücklich an und schloß dann geräuschlos die Tür. Hochzufrieden und zugleich kopfschüttelnd machte ich mich davon und trabte wieder zurück zu meinen Lieben. Ich hatte bereits die Türklinke in der Hand, als ich verblüfft innehielt. Nanu? So still? Keine Fröhlichkeit, wenn ich nicht dabei bin? Das ist aber zuviel der Ehre, wirklich! Ich mache die Tür auf und trete ein - ja, was ist denn da los? Da sitzt die Lydia, Weinbecher in der Hand, einsam und verlassen auf dem Bett - aber wo sind anderen? 'Hallo, liebste Lydia!' rufe ich verwundert aus. 'Wo sind die anderen?'
'In unserem Zimmer!' ruft sie zurück, nein: flötet sie zurück.
'Ah, ist deine Flasche schon leer?'
'Ja, leider. Und jetzt sind sie Babsis Flasche holen gegangen.'
'Aha.' Und damit setze ich mich wieder zu ihr, und zwar neben sie, und lege wie selbstverständlich meinen Arm um ihre Schulter, und sie sträubt sich überhaupt nicht und macht auch kein so unglückliches Gesicht, wie sie's immer macht, wenn der Götzi seine Pratzen um ihre Schulter legt, sondern lehnt sich, genau wie zuletzt, ihrerseits an mich an.
'Na?' fragt sie nach einiger Zeit. 'Barbara gefunden?'
'Jawohl', antworte ich, 'Barbara gefunden, alles in Butter!' Und dann berichte ich ihr, wie's gewesen ist, und erzähle ihr auch haarklein von meinen Gesprächen mit Clemens und mit Klein-Barbara, und sie hört mir aufmerksam zu und drückt sich dabei die ganze Zeit an mich, und sobald ich meinen Becher geleert habe, reicht sie mir den ihren und besteht darauf, daß ich ihren Wein austrinke. 'Na gut!' lache ich, bedanke mich und leere ihren Becher fast in einem Zug. 'Unsere zwei Hübschen werden ja gleich Nachschub bringen!'
'Na, ich weiß nicht', sagt sie mit skeptischer Stimme und wiegt ihren Kopf hin und her, so daß mich ihre Haare im Gesicht kitzeln. 'Ich hab' da meine Zweifel!'
'So, glaubst du, sie werden Babsis Flasche auch nicht finden?'
'Naja, finden werden sie sie vielleicht schon ...'
'Ah, du meinst, sie werden sie selber austrinken, die Schufte?'
'Mhm, das wäre leicht möglich. Immerhin bleiben sie jetzt schon auffällig lang aus!'
'Ja, nicht wahr? Dabei hab' ich ihnen ausdrücklich aufgetragen, ja schön brav zu bleiben! Sind wir auch so lang ausgeblieben?'
'O nein, bei weitem nicht! Aber ich hab' gleich das Gefühl gehabt, daß sie vor uns was zu verbergen haben!'
'Ja, nicht wahr? Und uns lassen sie auf dem trockenen sitzen, diese Schufte, gelt? Und du bist sicher, daß sie erst dann zurückkommen werden, wenn sie die ganze Flasche ausgetrunken haben?'
'Ja, das auch.'
'Ah, und wenn alles das vollbracht ist, was sie vor uns zu verbergen haben, meinst du?'
Da kichert Lydia vergnügt und ruft:
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