Geliebte Myriam, geliebte Lydia
sie wieder reden und allein stehen kann, küßt sie mich auf die Wange und ruft: 'Na, du hast Ideen! Aber weißt du, was wir wirklich tun könnten? Wir könnten einmal an ihrer Tür horchen!'
'Ja, gehen wir horchen!' rufe ich begeistert zurück, und wir gehen hinein ins Zimmer, öffnen sachte die Tür, spähen vorsichtig herum, ob die Luft rein ist, schleichen uns an, unterdrücken beide das Lachen und horchen möglichst geräuschlos; 'möglichst' deshalb, weil das eigene Herzklopfen natürlich nur schwer zu unterdrücken ist. Aber das ist auch gar nicht nötig; die von innen herausdringenden Geräusche sind so deutlich zu hören und so unverkennbar und eindeutig, daß wir beide mit kaum unterdrücktem Lachen in mein Zimmer stürzen und dort, sobald die Tür zu ist, losprusten, uns vor Lachen nicht mehr halten können und alle zwei aufs Bett plumpsen, und zwar aufs selbe. Und wie ich dann wieder zu mir komme, spüre ich ihren Haarschopf in meinem Gesicht, und indem ich mich mit meiner rechten Hand vortaste, entdecke ich ein nacktes Knie und bald darauf einen ebenso nackten Oberschenkel, und der fühlt sich so glatt und so weich und so herrlich an, daß meine Hand davon direkt berauscht wird und sich immer weiter vortastet, und je weiter sie sich vortastet, umso glatter und weicher und herrlicher wird ihr Fleisch, und ich merke, wie sie den Atem anhält und dann wieder schwer zu atmen beginnt. Und dann - ja, und dann sträubt sie sich auf einmal. Sie richtet sich urplötzlich auf, ergreift meine offenbar allzu kühn gewordene Hand mit der ihren und entfernt sie ganz einfach von ihrem Schenkel, zieht sich das Minirockerl hinunter, soweit es sich eben hinunterziehen läßt, und setzt sich dann endgültig auf. Ich bringe natürlich keinen Laut heraus, sondern starre sie nur mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Verzweiflung an. Und der Erfolg ist, daß sie zunächst einmal einen erneuten Lachanfall bekommt, weil ich angeblich so komisch dreinschaue. Dann wird sie aber rasch wieder ernst, fährt mir mit ihrer Hand leicht über Wange und Bart und sagt dann in überaus freundlichem, beinahe tröstendem Ton: 'Bitte, Christian, nicht böse sein! Aber ich gehöre nicht zu den Frauen, die man im Sturm erobert.'
Ich sage daraufhin gar nichts, sondern starre sie weiter verwirrt an. Nach einiger Zeit beginnt sie wieder: 'Ich fürchte, unser Götzi kommt so bald nicht wieder zurück. Ich werde also wohl oder übel bei dir im Zimmer schlafen müssen. Aber das hab' ich schließlich in der letzten Nacht auch getan. Versprichst du mir, genauso brav zu sein wie gestern?'
Ich kann nur mit dem Kopf nicken; ich bringe nach wie vor kein Wort heraus; irgendwas würgt mich im Hals. Hierauf steht sie auf, macht ein paar Schritte in Richtung Badezimmer, bleibt dann plötzlich stehen, greift sich an die Stirn, schaut ein paar Herzschläge lang nachdenklich zu mir her und sagt: 'Ein Unterschied zur letzten Nacht ist doch ... Christian?'
'Ja?' erwidere ich wie in Trance.
'Sag ... leihst du mir deine Zahnbürste? Meine ist ja drüben.'
'Meine Zahnbürste? Ja, ja! Ja, selbstverständlich! Klar! Aber gern!'
Da bedankt sie sich mit einem wirklich umwerfend süßen Lächeln und verschwindet im Badezimmer. Die längste Zeit bleibt sie drinnen, und ich fürchte schon fast, sie könnte ins Klo gefallen sein oder sowas, aber dann höre ich sie zu meiner Erleichterung gurgeln, und dann höre ich die Dusche rauschen; und sie rauscht irrsinnig lang. Und dann hört die Dusche wieder auf zu rauschen, und nach wiederum geraumer Zeit geht die Badezimmertür auf, und heraus tritt Lydia - splitterfasernackt. Jawohl: splitterfasernackt und in strahlender Schönheit und dazu mit strahlendem Lächeln. Sie lächelt mich an und murmelt etwas verlegen: 'Entschuldige bitte, Christian, aber mein Pyjama ist ja drüben!' Und damit huscht sie in das andere, das freie Bett und zieht sich die Decke bis zum Kinn hinauf. Dann flötet sie in überaus freundlichem Ton: 'Gute Nacht, Christian! Schlaf gut!'
Ich bin durch das Vorangegangene, aber auch ganz besonders durch die zwar viel zu kurze, aber äußerst eindrucksvolle Darbietung zuletzt immer noch total verwirrt. Jetzt nehme ich mich mit größter Willensanstrengung zusammen, erhebe mich mühsam vom Bett, lasse mich vor ihrem Kopf nieder, streichle ihre Haare, ihre Stirn und ihre Wangen und küsse sie schließlich auf den Mund. Dann wünsche ich ihr ebenfalls gute Nacht, stehe wieder auf, hole mir meinen Pyjama aus
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