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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Bann wurde, wie man so schön poetisch sagt, erst in dem Moment gebrochen, wie das Boot am anderen Ufer anlegte und wir mit bereits etwas steifen Gliedern aufstanden, um auszusteigen. In der Nähe standen mehrere Taxis geparkt, und die dazugehörigen Taxler hatten zwar kein Lagerfeuer angezündet, hockten aber sonst genauso wie die Bootsleute am anderen Ufer im Kreis am Boden und palaverten. Doch wie sie uns herbeikommen sahen, sprangen sie alle auf und stürzten sich buchstäblich auf uns, und darauf folgte ein ähnliches Palaver zwischen ihnen und unserem schwarzgelockten Bürschchen wie vorhin zwischen den Bootsleuten und ihm, und wieder winkte uns zuletzt einer zu und führte uns zu einem der wartenden Taxis und hielt uns die Türen auf und hieß uns einsteigen; und während sich unser Führer auf den Beifahrersitz setzte, drängten wir drei uns auf dem Rücksitz zusammen, und zwar saß diesmal ich in der Mitte und hatte den einen Arm um Lydias Schulter und den anderen um Myriams Schulter gelegt; und Lydia lächelte dazu nur mild, und Myriam fühlte sich sichtlich wohl. Und während uns nun der Taxler unserem Ziel zusteuerte, wo mich also ein, jedenfalls für mich, unerhörter Papyrusschatz erwartete - während ich also diesem Papyrusschatz entgegenfieberte, wie man das nennt, erzählte ich, um mein Fieber ein bißchen zu dämpfen, den beiden, die ich da links und rechts umfaßt hielt, ein wenig über die Geschichte der Papyrusfunde. Der eigentliche Anlaß meiner Erzählung war übrigens das Lagerfeuer der Bootsleute am anderen Ufer gewesen. Das hatte mich nämlich an die Umstände der allerersten Erwerbung eines Papyrus durch einen Europäer erinnert. Das war im Jahre 1778. Damals bereiste ein europäischer Kaufmann Ägypten und stieß eines Abends auf eine Gruppe Einheimischer, die genau wie unsere Bootsleute um ein Lagerfeuer versammelt waren und palaverten. Er wunderte sich über ihr Heizmaterial und ließ es sich zeigen. Und was reichten sie ihm? Eine echte, antike Papyrusrolle! Er kaufte sie ihnen ab und nahm sie nach Europa mit, wo er mit ihr ein riesiges Aufsehen erregte. Die übrigen Papyrusrollen, schätzungsweise 50, verbrannten die Einheimischen und ergötzten sich, wie er berichtete, an dem Duft des Rauchs. Sie hatten keine Ahnung davon, was für unersetzliche Schätze sie für immer vernichteten. Ich erzählte Lydia und Myriam aber auch von einer vollständigen griechischen Komödie, die erst vor ein paar Jahrzehnten gefunden worden ist, und zwar nicht in Form einer Papyrusrolle, sondern eines Papyruscodex - wie angeblich auch der Papyrus, dem ich jetzt gerade entgegenfieberte; und ich bemerkte mit einem gewissen Stolz, daß ich noch keine Griechischklasse gehabt hätte, mit der ich nicht diese neuentdeckte Komödie gelesen hätte, und daß es noch keine gegeben habe, die davon nicht begeistert gewesen sei.
    Das waren also unsere hauptsächlichen Gesprächsthemen während der Taxifahrt. Und dann bremste der Fahrer unvermittelt ab, machte eine scharfe Kurve, rumpelte eine Zeitlang über einen unebenen Feldweg oder sowas und hielt schließlich an und schaltete den Motor ab. Wir waren offenkundig da, und es hieß aussteigen.
    Wir befanden uns hier bereits in der Wüste, und zwar auf einer Art Vorplatz vor einer kleinen Gruppe typischer ägyptischer Bauernhäuser, unverputzt, aus Lehmziegeln und mit Flachdächern. Drei oder vier Fahrzeuge waren hier schon geparkt, das heißt, sie standen ohne erkennbare Ordnung irgendwie herum. Jetzt trat aus einem der Häuser eine galabejagewandete männliche Gestalt heraus, überschüttete uns mit einem wahren Wortschwall und deutete anschließend, wir mögen ihm ins Haus hinein folgen. Er führte uns in ein kleines, mit schönen Teppichen ausgelegtes Zimmer mit einer Reihe gerahmter Familienfotos an der Wand und ersuchte uns, auf einer ebenfalls mit Teppichen überzogenen Couch Platz zu nehmen. Ganz offensichtlich befanden wir uns in der sogenannten guten Stube des Hauses, nur lagen oder standen hier auch solche Gegenstände herum, die sonst in guten Stuben eher selten anzutreffen sind, nämlich mehrere Amphoren und andere Krüge, die eindeutig aus dem Altertum stammten. In diesem Zimmer waren wir zwar mit ihm allein, aber aus anderen Räumen drang ein buntes Stimmengewirr an unser Ohr, wobei nicht genau zu entscheiden war, welche Stimmen live an unser Ohr drangen und welche dem Fernseher entsprangen. Unser Gastgeber, wenn ich ihn so nennen soll, ein hagerer Typ

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