Geliebte Myriam, geliebte Lydia
unseren Zimmerschlüssel noch nicht hängen sahen, vor lauter Enttäuschung zu Tode gegrämt oder sowas. Und der Giftzwerg macht vermutlich ein langes Gesicht, weil der Herr Reiseleiter die ganze Nacht mit zwei Ladys aus war und noch immer nicht zurück ist; ein so ein unmoralisches, unchristliches Verhalten stinkt ja zum Himmel und muß selbstredend postwendend dem Herrn Bischof gemeldet werden.
Das und noch vieles andere ging mir durch den Kopf, während Lydia und Myriam rechts und links von mir allem Anschein nach noch friedlich schlummerten - kein Wunder bei dieser im buchstäblichen Sinn 'ägyptischen' Finsternis, nicht? Und so schlummerte ich auch selber noch einmal dahin, und wie ich das nächste Mal aufwachte, war's fast elf, und Lydia und Myriam waren bereits wach und stöhnten fürchterlich. Über was stöhnten sie denn so fürchterlich? Ich gab mich möglichst fröhlich und unbeschwert als wach zu erkennen, wünschte ihnen Guten Morgen und fragte besorgt, über was sie denn so stöhnten. Na, weh tat ihnen halt alles, der ganze Körper war wund, die Knochen schmerzten alle, und Myriam hatte zusätzlich noch rasende Kopfschmerzen. Da riet ich ihnen, einfach liegen zu bleiben und sich auszukurieren und sich von mir füttern und pflegen zu lassen, bis sie wieder ganz gesund seien. Und ich knipste meine Taschenlampe an, stand auf, zog mich an und frühstückte von den großartigen Vorräten, die man uns hinterlassen hatte, nämlich trockenes Fladenbrot und Mineralwasser und dazu allerdings köstliche Datteln und herrliche Orangen, und fütterte damit, wie versprochen, meine armen, leidenden Ladys.
Danach war's aber schon höchste Zeit, an die Arbeit zu gehen. Während also Lydia und Myriam liegen blieben und sich auskurierten, ging ich daran, unsere geräumige Ferienwohnung zu erforschen und bis ins letzte Detail zu besichtigen. Erstens hatte ich nun ja schon längere Zeit vor, die Schönheiten der altägyptischen Kunst zu genießen, nicht wahr, und zweitens lag mir daran, eventuell eine Möglichkeit auszukundschaften, uns aus dem Staub zu machen, falls sich zufällig einmal das Bedürfnis einstellen sollte, uns wieder die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Ich entdeckte eine Unzahl von hochinteressanten und, naja, auch weniger interessanten Malereien - von Tanzszenen mit graziösen halbnackten Tänzerinnen und Musikantinnen bis zu langweiligen Anbetungsszenen mit Majestäten und Gottheiten. Aber sonst entdeckte ich gar nichts, vor allem keine Möglichkeit, uns bei Bedarf aus dem Staub zu machen. Was ich entdeckte, war nur die Erkenntnis: wir sitzen hier wirklich in der Mausefalle, und wir können nur hoffen, daß uns die Mäusefänger nur ein bißchen zappeln lassen, bevor sie uns wieder heimschicken.
Natürlich hätte ich auch die anderen Grabanlagen untersuchen und ihre Wandgemälde bewundern sollen, aber andererseits wollte ich Lydia und Myriam auf keinen Fall allein lassen, und ich rechnete auch im stillen damit, daß wir noch genügend Zeit haben würden, um das gemeinsam in aller Ruhe nachzuholen. Außerdem ging's mir heute, ehrlich gesagt, auch nicht übertrieben gut, und ich war eigentlich heilfroh, wie ich mit dem Besichtigen, Bewundern und Auskundschaften der einzelnen Teile der Ferienwohnung fertig war und mich wieder zu ihnen legen konnte. Myriam machte gerade ein Nachmittagsnickerchen, aber Lydia war wach und freute sich, sich wieder an mich drücken und mit mir plaudern zu können. Und nachdem wir uns ausgiebigst geküßt hatten, begann sie sich auf einmal fürchterlich für mein Verständnis zu bedanken, für das Verständnis nämlich, das ich für ihre Sorgen mit der Pille gezeigt hätte, und ich konnte sie nur erneut trösten und ihr versichern, daß das meine Liebe zu ihr nicht im geringsten schmälern könne. Und dann überraschte sie mich mit einer Frage, die mich in nicht geringe Verlegenheit stürzte, nämlich, wie ich denn meine Liebe zu ihr mit meiner Liebe zu meiner Frau vereinbaren könne. Hätte ich die Taschenlampe brennen lassen, hätte sie wahrscheinlich sehen können, wie ich krebsrot wurde. Aber ich faßte mich relativ rasch und begann ihr dann von meiner Ehemisere zu erzählen, und wie mich meine Frau buchstäblich verdursten lasse, und daß Durst schlimmer sei als Heimweh, und so weiter. Darüber war Lydia ganz entsetzt und fragte verwundert, warum ich sie dann überhaupt geheiratet habe und ob ich das nicht rechtzeitig gemerkt habe, und sie war noch entsetzter und
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