Geliebte Myriam, geliebte Lydia
ganz außer sich vor Freude und Erregung über unsere Entdeckung, und es sei ihm nach vielen Bemühungen - vermutlich meinte er: nach vielem Bakschischgeben - doch gelungen, einen Platz in der heutigen Frühmaschine nach Luxor zu ergattern. Und jetzt sei er da, und sobald ich bereit sei, könne man aufbrechen. Er sei mir zutiefst dankbar, daß ich der Wissenschaft zuliebe noch einmal diese Strapazen auf mich nehme; das Fräulein Girgis habe ihm schon kurz von den Strapazen und Leiden berichtet, die wir hinter uns hätten, und es tue ihm aufrichtig leid, daß sie dadurch so arg erkrankt und noch immer nicht völlig wiederhergestellt sei, so daß sie nicht als Führerin fungieren könne. Umso dankenswerter von mir, daß ich mich bereit erklärt habe, diese Aufgabe zu übernehmen und der Wissenschaft einen unschätzbaren Dienst zu erweisen.
Na, wenn er mich schon so über den grünen Klee lobte, mußte ich ihm natürlich sein Kompliment zurückgeben und hob hervor, wie toll ich das finde, daß er sich auf den Anruf von Fräulein Girgis hin so spontan bereit erklärt habe, der Wissenschaft zuliebe auf der Stelle nach Luxor zu kommen. Für mich selber sei das andererseits einfach selbstverständlich, daß ich mich für diese Aktion voll und ganz zur Verfügung stelle, denn ich sei von genau dem gleichen wissenschaftlichen Eros beseelt wie er. Hierauf machte ich aber gleich einen Punkt, um die Abfahrt nicht länger als nötig zu verzögern. Eine Einladung, mit mir gemeinsam zu frühstücken, lehnte er dankend ab und zog es vor, derweil in Myriams Gesellschaft hier zu warten, bis ich soweit sei, und sich derweil von ihr einen detaillierten Bericht von unseren Erlebnissen und Entdeckungen geben zu lassen; außerdem habe er noch mehrere Telefonate zu tätigen.
Also gut. Ich verabschiedete mich vorläufig von den beiden und stürmte in den Speisesaal, um ein hastiges und doch wieder nicht allzu bescheidenes Frühstück zu verschlingen; heute würde ich es ja voraussichtlich wieder gebrauchen können. Anschließend sauste ich blitzartig hinauf in mein Zimmer - und unterbrach selbstredend im zweiten Stock, um meine Lydia aufzusuchen und mich von ihr zu verabschieden. Sie lag noch in ihrem Bettchen, sah immer noch reichlich blaß aus, hatte aber nur mehr etwas über 37 Grad und lachte mir bereits fröhlich oder zumindest freudig entgegen. Ich stürzte mich auf sie und bedeckte ihr Gesicht, soweit es der Kopfverband frei ließ, mit Küssen. Sie nannte mich 'Schatzilein', was sie schon lang nicht mehr gesagt hatte, und war überhaupt sehr zärtlich. Schließlich flüsterte ich: 'Du bist mir also nicht mehr böse?' Und sie flüsterte zurück: 'Freilich bin ich dir böse! Aber ich liebe dich mehr als je zuvor!' Und dazu funkelten ihre treuherzigen Rehaugen lustig - oder traurig? Da war ich nämlich auf einmal nicht mehr so sicher. Jedenfalls funkelten sie verliebt; das sah man ganz deutlich, und ich küßte sie gerührt und verliebt, nämlich ihre Augen, und wollte schon aufspringen, mich rasch verabschieden und das Weite suchen. Da merke ich plötzlich, daß ihre Augen ganz feucht sind. Ich stutze und schaue genauer: jawohl, sie sind tatsächlich voller Tränen!
'Du weinst ja, Schatzilein!' rufe ich überrascht und erschrocken aus.
'Du hast schon lang nicht mehr Schatzilein zu mir gesagt!' antwortet sie leise - falls man das überhaupt als Antwort bezeichnen kann.
'Ja, das ist wahr!' murmle ich schuldbewußt. 'Aber ... aber warum weinst du denn?'
'Weil ... Ich hab's ja gestern schon gesagt: ich hab' mich so an dich gewöhnt! Und jetzt läßt du mich allein!'
'Aber doch nicht lang! Am Abend bin ich sicher spätestens wieder bei dir!'
'Viel zu lang! Viel zu lang! Wie soll ich das nur aushalten? Wie soll ich da gesund werden?' Und sie schlingt ihre Arme um meinen Hals und zieht mich an sich und beginnt mich heftig, ja, leidenschaftlich zu küssen, und dadurch gerate ich in eine enorme Erregung, wie ich sie jetzt schon lang nicht mehr gekannt habe, und meine Hände werden unruhig und beginnen ihren Körper ebenso leidenschaftlich zu liebkosen. Naja, und das Ende vom Lied: ich lande, hüllenlos, in ihrem Bettchen, enthülle sie ebenfalls und feiere mit ihr ein zwar viel zu kurzes, aber unglaublich inniges und intensives Fest der Liebe, und es ist genauso schön wie beim allerersten Mal, oder eigentlich noch viel schöner, und wir gedenken der Tatsache, daß jenes allererste Mal genau in diesem Hotel, wenn auch in einem anderen
Weitere Kostenlose Bücher