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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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von vorn nach hinten und von hinten nach vorn durch und diktierte dem Schreiber alle die Daten, die er daraus ersehen konnte: Paßnummer, Familienname, Vorname, Geburtsdatum, Wohnort, Staatsbürgerschaft, Größe, Augenfarbe und keine besonderen Kennzeichen. Aber damit waren sie praktisch auch schon fertig, allerdings noch lange nicht zufrieden. Was die noch alles hätten wissen wollen! Wo ich geboren worden sei, wie mein Vater heiße, wo und wann der geboren worden sei, welchen Beruf und welche Religion er habe, wie seine Eltern heißen, und so weiter; dann das gleiche mit meiner Mutter; dann entsprechende Fragen nach Geschwistern, Onkeln, Tanten, und was weiß ich, wonach noch allem. Irgendwann gaben sie's nämlich auf, als sie endlich kapierten, daß ich nicht bereit war, auf irgendeine ihrer läppischen Fragen zu antworten.
    Sie hielten also inne und palaverten eine Zeitlang miteinander; offensichtlich hielten sie Kriegsrat. Schließlich standen der Touristenpolizist und der brutale Kerl auf, kamen auf mich zu und pflanzten sich mit hochnäsiger Miene vor mir auf. Was hatten sie denn jetzt vor? Oho, der brutale Kerl nahm mir die Handschellen ab! Was war denn auf einmal in ihn gefahren? Hatte er plötzlich überrissen, daß das alles nur Schwachsinn war, was sie da machten, und so überflüssig wie nur etwas? War plötzlich Vernunft über ihn gekommen oder gar ein Gefühl für Humanität und Menschenrechte?
    Oh, nichts dergleichen! Sondern sobald er mir die Handschellen abgenommen hatte, begann er mich gemeinsam mit dem Touristenpolizisten auszuziehen - jawohl, auszuziehen! Alles zogen sie mir aus, auch die Schuhe, und sogar die Uhr nahmen sie mir ab; nur die Unterhose ließen sie mir an. Naja, eigentlich war's so eh viel angenehmer, denn in dem Raum war's entsetzlich heiß und stickig, und ich hatte mich schon längst gewundert, wieso die denn nicht das Fenster aufmachten. Aber viele Menschen vertragen eben keine frische Luft oder tun zumindest so, sondern fühlen sich angeblich in einem Zimmer mit geschlossenen Fenstern und stickiger, verbrauchter Luft bedeutend wohler, auch wenn's noch so heiß ist - stimmt's? Aber vielleicht haben sie in Wirklichkeit nur Angst - entweder Angst, sie könnten von der frischen Luft krank werden, oder Angst, es könnte ihnen jemand zuschauen.
    Jedenfalls fühlte ich mich so, nur mit der Unterhose bekleidet, wenn ich ich ehrlich sein sollte, wesentlich wohler, ja direkt behaglicher als in meinem ohnehin verschwitzen und stinkenden Gewand. Nur - was bezweckten sie mit der Maßnahme eigentlich? Aha, zu einer Standwaage führten sie mich hin, und sie wollten ganz einfach mein Gewicht messen. Na, wenn's sonst nichts war! Diese Freude konnte ich ihnen gern machen! An und für sich war's ja direkt rührend, wie sie sich um mich kümmerten, findet ihr nicht? Sie registrierten also mein Gewicht, und der Schreiber trug es auf dem Blatt, das er extra für mich angelegt hatte, ein. Anschließend palaverten sie eine Zeitlang miteinander, und dann ging einer der zwei Gelangweilten hinaus, und der brutale Kerl legte mir die Handschellen wieder an. Na, und mein Gewand? Sollte ich das nicht besser vorher wieder anziehen? Ich deutete auf meine Kleider, und er reagierte mit einem unverkennbar höhnischen Grinsen, ohne sich in seiner Aktivität im geringsten beirren zu lassen.
    Naja. Als nächstes wurde meine Größe gemessen und schriftlich festgehalten. Die mußten sie zwar an sich eh schon haben, denn sie steht ja im Paß vermerkt, aber entweder hatten sie's inzwischen vergessen oder vielleicht auch gar nicht registriert, oder aber es gehörte ganz einfach zu ihren Vorschriften, nach dem Gewicht auch die Körpergröße ihrer Schützlinge zu messen; schließlich könnten die ja seit der Ausstellung des Passes gewachsen oder geschrumpft sein, nicht? Na gut. Fiel ihnen noch was ein? O ja, es fiel ihnen noch was ein. Ich wurde zum Schreibtisch geführt, und nun kamen meine Finger dran. Klar - keine Eintragung in die Verbrecherkartei ohne Fingerabdrücke! Ja, und so ging der brutale Kerl nun eben daran, mir die Fingerabdrücke abzunehmen. Jeden einzelnen Finger packte er also, drückte ihn zuerst auf eine Platte mit schwarzer Farbe und auf irgend so ein Papier und rollte ihn dabei von links nach rechts ab - aber so brutal, daß er mir dabei fast die Finger brach. Ein paarmal entkam mir sogar ein lauter Schrei, und der Schmerz trieb mir richtig Tränen in die Augen. Gerade das schien ihm aber zu

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