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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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dieses unangenehme Gefühl eigentlich nicht. Und beim schwarzlockigen Jüngling, also Myriams Göttergatten und Vater ihres Babys? Naja, der wirkte auf mich, wenn ich ganz ehrlich sein soll, selber wie ein Baby, wie ein Riesenbaby halt, und erinnerte mich irgendwie an Myriams Brüderlein - Marke 'maßlos verwöhntes Muttersöhnchen'.
    Schön, das war also die Vorstellung. Aber eigentlich interessierte mich die nur mäßig. Meine Myriam will ich sehen, meine Herrschaften, nicht euch! Ihr könnt mir meinetwegen allesamt gestohlen bleiben! Aber nun ging ohnehin zwischen ihnen und Myriams Papa ein Mordspalaver los, und bestimmt trug er ihnen jetzt unser Anliegen vor und sagte, wir lechzten schon sehr danach, Myriam und ihr Baby zu sehen, und wieso bringt ihr die zwei nicht gleich mit, oder wieso führt ihr uns meinetwegen nicht gleich zu ihnen hin? Ja, aber was palaverten sie überhaupt so viel, vor allem die Oma mit den grauen Haaren und dem bösen Blick? Was gab's denn da so schrecklich viel zu palavern? Und obendrein klingen die arabischen Palaver immer gleich so wild, so gefährlich, so, als ob die Kontrahenten - pardon: die Gesprächspartner jeden Moment zum Messer greifen würden! Das war ich zu diesem Zeitpunkt zwar natürlich schon längst gewohnt, aber dieses Palaver schien jetzt bald alle gewohnten Grenzen zu sprengen. Es wurde nämlich immer wilder und klang immer gefährlicher und ... Nein, zu den Messern griffen sie nicht, aber jetzt entwickelte sich das Palaver tatsächlich blitzartig zu einer sagenhaften Schreierei, und ich beobachtete, wie Myriams Papa einen hochroten Kopf bekam und sich gleichzeitig in einen ausgewachsenen Tobsuchtsanfall hineinsteigerte. Und das hauptsächliche Ziel seines Tobsuchtsanfalls schien interessanterweise eben die Oma mit den grauen Haaren und dem bösen Blick zu sein. Die stand ihm allerdings an Aggressivität wahrlich um nichts nach, und ihr Gekreische und wildes Getue war auch nicht von schlechten Eltern. Hu - mir lief es heiß und kalt über den Rücken - das war also Myriams Schwiegermama? Na, dann gute Nacht! Meine arme Myriam!
    Während ich, starr vor Schrecken, diese aufregende, unerfreuliche Szene beobachtete, fiel mir plötzlich auf, daß die anderen nicht nur immer stiller, sondern vor allem immer weniger wurden - jawohl, die verdrückten sich nach und nach, und zuletzt blieb nur noch die kreischende Oma mit den ... fast hätte ich gesagt: mit den Schlangenhaaren übrig; und wirklich erinnerte sie mich, je länger ich ihr zuschaute, umso intensiver an die Gorgo Medusa der griechischen Sage mit ihren Schlangenhaaren, den wutverzerrten Gesichtszügen und dem bösen, ja, giftigen Blick, der jeden, der sie erblickt, in Stein verwandelt. Und ich begann mir schon im Ernst zu überlegen, ob ich mich nicht lieber abwenden sollte, um nicht in Stein verwandelt zu werden - da drehte sie sich auf einmal brüsk um und rauschte ab, nicht ohne die Tür, durch die sie verschwand, mit einem Krach hinter sich zuzuknallen.
    Jetzt waren wir wieder ganz allein im Hof, und der arme Herr Girgis stand da wie ein begossener Pudel und schaute ihr entgeistert und fassungslos nach, und sein Tobsuchtsanfall schien mit einemmal verpufft zu sein. Das war aber ein Irrtum, denn im nächsten Augenblick drehte er sich zu uns um, wischte sich mit der Hand über die Stirn - jetzt erst sah ich, daß sein Gesicht nicht nur hochrot angelaufen, sondern über und über mit Schweißperlen bedeckt war -, und funkelte uns eine Zeitlang mit seinen sonst so gutmütigen Augen nur an, so daß mir unter seinem Blick angst und bang wurde. Und dann ging's schlagartig wieder los, jetzt aber auf griechisch; und dabei mußte ich furchtbar aufpassen, daß ich überhaupt was verstand, denn es ist doch ein Riesenunterschied, ob man einem in der Muttersprache oder in einer Fremdsprache Tobenden zuhört; und schließlich war's für mich genauso eine Fremdsprache. Aber im großen und ganzen verstand ich sehr gut, um was es da eigentlich ging, nämlich: Myriam sei verschwunden, ausgerissen, abgehauen - mitsamt ihrem Baby! So lautete die erschreckende Botschaft.
    Was? Jetzt mußte ich mich erst einmal hinsetzen, und dann sprang ich sofort wieder auf und übersetzte in aller Kürze der Lydia, und da riß die voller Bestürzung die Augen auf, stieß einen wilden Entsetzensschrei aus und beschwor mich, ihn noch einmal zu fragen, ob das auch wirklich wahr sei und warum und wieso ... Und dann gingen ihre Worte in einem Tränenstrom

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