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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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eingeheiratet, aus welchen Gründen auch immer. Und dieser Bagage, genau dieser Bagage inklusive Oma und inklusive Myriams Göttergatten stehe ich jetzt unvermittelt Aug' in Aug' gegenüber, und da bleibt mir, wie gesagt, vor Schrecken beinahe das Herz stehen. Aber mich bedenken sie zum Glück ohnehin nur mit einem verächtlichen Nasenrümpfen und die Lydia genauso; o nein, das eigentliche Ziel ihres Höllenspektakels und ihrer Empörung ist natürlich Myriams Papa, und wie sie den, noch dazu im Gegensatz zu ihnen ohne Handschellen, da sitzen sehen, steigert sich beides ins Unermeßliche und Unerträgliche. Aber Myriams Papa ist inzwischen längst aufgesprungen, hat sich gegen sie umgedreht und schleudert jetzt seine Zornesblitze gegen die Bagage, und ich muß sagen, jetzt ist er wieder ganz gut bei Stimme. Dann gibt's da noch einen, der aus Leibeskräften brüllt, nämlich den Herrn Oberinspektor, und das Ganze ergibt ein sagenhaftes Tohuwabohu. Sowas hätte ich nie für möglich gehalten.
    Es dauert geraume Zeit, bis in dieses Tohuwabohu eine gewisse Ordnung kommt und nicht mehr alle wild durcheinanderbrüllen, sondern nur mehr einer oder höchstens zwei zur gleichen Zeit brüllen. Dabei fällt mir auf, daß nicht nur Myriams Papa seine Zornesblitze gegen die Bagage schleudert, sondern die offenbar ihrerseits auch ihn ständig auf das schwerste attackieren und dabei noch dazu wieder einmal eine erdrückende Übermacht besitzen. Und ich muß hilflos zusehen, wie er immer verzweifelter und zugleich immer schwächer in Angriff und Verteidigung wird. Naja, haben wenigstens die Hüter der Ordnung und des Gesetzes noch einen Sinn für Gerechtigkeit und Menschenwürde? Und zu meinem unsagbaren Schrecken muß ich alsbald feststellen: nein, die Hüter der Ordnung und des Gesetzes haben offenbar keinerlei Sinn für Gerechtigkeit und Menschenwürde, auch nicht hier in Heluan. Denn da brüllt der Oberhüter auf einmal mit einem der Unterhüter, und daraufhin hat der plötzlich Handschellen in der Hand, stürzt sich mit diesen auf Myriams Papa und legt ihm diese an; und der ist über eine solche Vorgangsweise so überrascht, so perplex, daß er nicht einmal einen Versuch macht, sich dagegen zu wehren. Sodann brüllt der Herr Oberhüter noch einmal mit demselben Unterhüter, und dieser macht sich jetzt an die Bagage heran und - man höre und staune! - nimmt jedem von denen der Reihe nach die Handschellen ab. Darauf wird's schlagartig still, und der grauhaarige Opa tritt vor und spricht, heftig sekundiert von der giftig zischenden Oma, mit dem Herrn Oberhüter und deutet dabei ständig auf Myriams Papa, und der Protokollführer schreibt eifrig mit.
    Myriams Papa! Was ist jetzt mit ihm? Nun, seine Erregung, seine Bestürzung, seine Erbitterung scheinen, seit ihm Handschellen angelegt worden sind, mit einem Schlag verraucht, und er steht jetzt da wie ein Häuflein Elend - offenbar darf er sich jetzt nicht einmal mehr hinsetzen -; er läßt den Kopf hängen und betrachtet fassungslos seine gefesselten Hände und wirkt überhaupt total gebrochen. Um ihn ein klein wenig zu trösten, und zugleich, um nicht selber an meiner Verwirrung, meiner Bestürzung, meiner Fassungslosigkeit zu ersticken, mache ich mich vorsichtig an ihn heran, lege ihm meine Hand auf den Arm und frage ihn leise mit gequälter Stimme, was denn das alles solle und was da überhaupt vor sich gehe. Als Antwort läßt er zunächst nur ein unartikuliertes Ächzen und Stöhnen hören. Es klingt ganz so, als würde es aus ungeheurer Tiefe heraufkommen. Aber dann reißt er sich sichtlich zusammen, erwacht aus seiner Lethargie und flüstert mir mit wachsender Erregung zu: 'Ach! Nie hätte ich gedacht, daß mir jemals sowas zustoßen würde! Mein ganzes Leben bin ich ein gesetzestreuer Bürger gewesen und hab' nie jemandem was zuleide getan! Und jetzt sowas!' Er schüttelt fassungslos den Kopf und versinkt in brütendem Schweigen.
    'Ja, aber wieso ...', beginne ich und kann vor Bestürzung nicht weiter.
    'Soll ich's Ihnen verraten, wieso ich da jetzt gefesselt bin und diese Halunken hier', und dabei unterbricht er sich und wirft der Bagage einen Blick voller abgrundtiefem Haß zu, 'wieso diese Halunken frei herumlaufen dürfen?' Da ich nur heftig mit dem Kopf nicke, ohne ein Wort herauszubringen, fährt er im selben Ton fort: 'Wissen Sie, was die jetzt behaupten? Ich hätte Myriam mitsamt ihrem Baby selbst umgebracht ...'
    'Was?' rufe ich entsetzt dazwischen.
    'Jawohl: ich

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