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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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auch seinen Blick von mir abgewendet und blickt in irgendwelche weiten Fernen. Lydia aber sagt jetzt was, und zwar will sie wissen, was er mir soeben kundgetan hat, und ich übersetze es ihr zögernd und mit der Einschränkung 'falls ich mich nicht verhört habe'.
    'Gesteinigt?' stößt Lydia fassungslos hervor und wird augenblicklich totenblaß. Und nachdem sie mehrere Herzschläge lang vor Entsetzen stumm geblieben ist, beginnt sie fürchterlich zu kreischen.
    'Nein!' kreischt sie. 'Nein! Das darf nicht wahr sein!' und nach einer kurzen Pause des Atemholens kreischt sie weiter: 'Gesteinigt? Meine Myriam? Mitsamt ihrem Baby? Nur weil es nicht von ihrem Mann ist?'
    Und damit bricht sie in ein ganz fürchterliches Schluchzen aus und wirft sich mir an den Hals und weint mir die ganze Wange und die ganze Schulter voll und ist absolut untröstlich; aber wie könnte ich sie auch trösten, wo ich doch selber Trost dringend nötig hätte? Andererseits: wer könnte mir da überhaupt noch Trost spenden? Oder welchen Trost könnte man da überhaupt noch spenden?

    Ich glaube vor Entsetzen zu ersticken und bringe keinen Laut heraus und habe nichts, womit ich Lydia oder auch Myriams Vater trösten könnte; denn falls das überhaupt möglich ist, hätte der irgendeinen Trost noch bei weitem nötiger.
    Ich werfe ihm einen scheuen Blick zu: er steht immer noch, zur sprichwörtlichen Salzsäule erstarrt, da und schaut mit glasigen Augen in weite Fernen. Gamal, der arme Narr, steht übrigens ebenso starr daneben und bewundert und verehrt schweigend die Myriam auf seiner vernudelten Fotografie.

    5. Teil

    ... denn das Auge des Gesetzes wacht
    (SCHILLER)

    Doch plötzlich kommt wieder Leben in Myriams Papa, und er schreit: 'Das sollen sie mir büßen! Diese Halunken will ich der gerechten Strafe zuführen!' Und gleichzeitig beginnt er zu rennen, und er rennt, ohne nach links oder rechts zu schauen, den Weg, den wir hergekommen sind, zurück, und Lydia und ich, wir haben ganz schön zu tun, um mit ihm Schritt zu halten. Naja, am Anfang geht's sowieso bergauf, da rennt er nicht so schnell, aber sobald es dann bergab geht, legt er ein völlig unerwartetes Tempo hin, stolpert aber dafür auf dem steinigen Gelände öfters und schlägt, da er sich nicht helfen läßt, mehr als einmal der Länge nach hin. Wer weiß, vielleicht betrachtet er das als eine Art Opfer für seine unglückliche Tochter; jedenfalls blutet er zuletzt aus einer ganzen Reihe von Platzwunden und ist dazu noch von oben bis unten mit einer dicken Staubschicht bedeckt, um vom Aussehen seines Festtagsgewands ganz zu schweigen. Und in einem derartigen Zustand stürmt er schließlich die Polizeistation von Heluan, und Lydia und ich hintennach, nachdem wir im Dauerlauf die Stadt erreicht und dabei das allergrößte Aufsehen erregt haben. Auch die Herren Polizisten machen klarerweise große Augen, wie wir da zu dritt mit Karacho vor ihnen aufkreuzen, und staunen nicht schlecht, wie er sogleich loslegt und ihnen buchstäblich die Hölle heiß macht; dabei hat er sowieso die allergrößten Schwierigkeiten, sich überhaupt verständlich zu machen, denn nach diesem Hindernislauf ist er natürlich total außer Atem und bringt vor lauter Keuchen und Schnaufen kaum ein artikuliertes Wort heraus. Und wenn er dazu kommt, ein artikuliertes Wort herauszubringen und ihnen die Hölle heiß zu machen, so kann man das nicht mehr gut als Schreien bezeichnen, sondern allerhöchstens als Krächzen oder gar als Röcheln. Übrigens muß er sich sichtlich zusammenreißen, um sich überhaupt aufrecht zu halten und nicht in Ohnmacht zu fallen, so fertig ist er, und außerdem gehörte er streng genommen als allererstes verarztet, denn sein Gesicht ist blutig, beide Hände sind aufgeschürft, die Ärmel seines schönen Sakkos sind zerrissen und die Ellbogen darunter aufgeschlagen, und das eine Hosenbein ist über dem Knie nicht nur zerrissen, sondern färbt sich auch immer stärker rot.
    Also, wie gesagt, da machen die Gesetzeshüter große Augen. Fünf Uniformierte zähle ich in der Wachstube; alsbald kommt aus einem inneren Gemach noch ein sechster dazu, offenbar der Herr Oberinspektor oder sowas Ähnliches. Diese fünf und dann sechs hören sich das Keuchen und Röcheln und die bitteren Klagen von Myriams Papa erst einmal in voller Länge und Breite an, ohne ihn zu unterbrechen oder ihm irgendwelche Fragen zu stellen oder sonst irgendwie zu reagieren; sie lassen's einfach über sich ergehen und

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