Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
ebenso nach einem Nachfolger suchen, der an bestimmten körperlichen Merkmalen zu erkennen ist, und sobald er gefunden ist - gewöhnlich ein Kind -, wird er seinen Eltern weggenommen und feierlich inthronisiert. Das beschreibt doch Heinrich Harrer ganz ausführlich in seinem 'Sieben Jahre in Tibet', nicht wahr?“
    „Ja - doch, ich erinnere mich!“ erwidert Giggerle und fährt fort: „Aber laßt mich weiterberichten! Nachdem wir aus der Unterwelt wieder heraufgekommen waren, bestiegen wir wieder unsere Kamele und ritten nicht etwa den gleichen Weg zurück, sondern vorher noch zu einem anderen Besichtigungspunkt. Unterwegs zermarterte ich mir den Kopf, was ich sagen solle, um mit der Myriam ... naja, wie ich eben ein bisserl flirten könne, ohne daß sie gleich wieder nüchtern und ernüchternd feststellt, ich sei ein Schmeichler. Schließlich begann ich: 'Myriam? Weißt du, was ich mir eben überlegt habe?'
    'Nein?' ertönte ihre samtene Stimme von hinten.
    'Wie es kommt, daß die Ägypter ihre eigene Sprache zwar zugunsten des Arabischen aufgegeben haben, nicht aber in der griechisch-römischen Epoche zugunsten des Griechischen. Wo doch die griechische Einwanderung mindestens so stark gewesen ist wie die später die arabische.'
    'Hm - darüber habe ich noch nie nachgedacht.' Und nach einer kurzen Pause: 'Das ist sehr schwer zu sagen. Tatsache ist, daß die griechischen Könige und die römischen Statthalter die Ägypter und ihre Religion nie unterdrückt haben, im Gegenteil: die schönsten und besterhaltenen ägyptischen Tempel stammen zum Beispiel aus dieser Zeit, und ihre Wände sind von oben bis unten nicht nur mit Bildern, sondern vor allem auch mit Hieroglyphen-Inschriften bedeckt; und da die Hieroglyphen dieser spätesten Zeit klein und eng zusammengedrängt sind, ist das, was da für den, der sie gelernt hat, zu lesen steht, eine unerschöpfliche Bibliothek.'
    'Und trotzdem ist die Kenntnis der Hieroglyphen noch in der römischen Antike verlorengegangen!'
    'Ja, weil sie wahrscheinlich nur mehr die Priester der altägyptischen Götter beherrscht haben. Und als das Christentum eindrang und die heidnischen Priester ausstarben, starb mit ihnen auch die Kenntnis der Hieroglyphen aus. Was also mit der Sprache, wie du richtig sagst, nicht geschehen ist, obwohl man es hätte erwarten können, das ist mit der Schrift sehr wohl geschehen.'
    'Wie meinst du das?'
    'Naja, der Gebrauch der Hieroglyphen und der von diesen abgeleiteten Schriftformen ist ausgestorben, und wir haben die griechische Schrift übernommen.'
    'Die griechische Schrift?' fragte ich ungläubig.
    'Jawohl, die griechische Schrift, und im Gottesdienst verwenden wir sie, wie ich vorhin gesagt habe, immer noch. Allerdings erkennt man sie nicht ohne weiteres als griechisch, weil wir heute noch die Buchstabenformen der Römerzeit gebrauchen; außerdem hat man für einige ägyptische Laute, die es im Griechischen nicht gibt, die demotischen Schriftzeichen übernommen.'
    'Demotisch - das ist eine spätere altägyptische Schrift, nicht?'
    'Das ist eine späte, vereinfachte Schreibform der Hieroglyphen. Übrigens nennen wir die Schrift, von der die Rede ist, üblicherweise nicht griechisch und auch nicht griechisch und demotisch, sondern kurz und bündig koptisch.'
    'Ah - die koptische Schrift! Ja, die ist mir natürlich ein Begriff. Und die ersetzte also die Hieroglyphen, als diese ausstarben?'
    'O nein, die Verwendung der griechischen Buchstaben begann schon im 2. Jahrhundert vor Christus.'
    'Schon? Ja, da hat also das Aufkommen der koptischen Schrift gar nichts mit dem Christentum zu tun? Das hab' ich nicht gewußt. Da frag' ich mich aber, warum man die griechische Schrift überhaupt übernommen hat, wenn man ohnehin die vereinfachte demotische Schrift hatte.'
    'Sehr einfach: weil auch die vereinfachte demotische Schrift immer noch ungeheuer kompliziert ist.'
    'Myriam?'
    'Ja?'
    'Du - ich bewundere dein umfangreiches Wissen, und wie du alles so schön erklären kannst, und - ich bewundere dich überhaupt!'
    'Ach, du Schmeichler!'
    Na bitte! Da hatten wir's schon wieder! Ich war ein Schmeichler, und damit basta! Und nun? Nun wußte ich erst einmal gar nichts mehr zu sagen, und dazu kam, daß ich mich über meine ständigen Mißerfolge allmählich zu giften anfing. So hintereinanderzusitzen wie auf einem Kamel ist offenbar doch nicht so wahnsinnig günstig fürs Flirten! Wenn man sich nicht einmal in die Augen schauen kann! Dabei ist es doch ganz offenkundig,

Weitere Kostenlose Bücher