Geliebte Myriam, geliebte Lydia
zurückgerufen hatte, brach ich das Schweigen und sagte: 'Myriam?'
Und sie sagte: 'Ja? Ich habe dich beleidigt, nicht wahr?'
'Beleidigt? Nein, du hast mich doch nicht beleidigt!'
'Weil du so still geworden bist!'
'Naja - ein bißchen unsicher bin ich jetzt schon ... vielleicht sogar ein bißchen traurig ... ein bißchen enttäuscht!'
'Das ist bestimmt nur, weil du zum ersten Mal in Ägypten bist. Es ist nur ein Mißverständnis. Ich glaube, ich muß dir das mal genauer erklären. Es wird sich sicher eine Gelegenheit ergeben!'
'Hm - vielleicht. Aber was ich dich fragen wollte: kannst du mir diesen Satz erklären: ána bádrab áschara?'
Ich merkte, wie Myriams Hand auf meinem Bauch zuckte. Nanu? Keine Antwort? Ich drehte mich um: ihr Gesicht war knallrot angelaufen, und ich sah nur ihr Pharaonenprofil, weil sie zur Seite schaute, und sie machte eine Miene ... Na, ich schreckte mich richtig und sagte ganz bestürzt: 'Ja, Myriam, warum bist du denn so rot? Und warum sagst du nichts?'
Aber sie würdigte mich weiterhin keiner Antwort, und jetzt wußte ich erst recht nicht, was ich tun oder sagen sollte, und was vorher ein verlegenes Schweigen gewesen war, das war jetzt auf einmal ein betroffenes, ja, bedrückendes Schweigen. Da ich mir aber eigentlich keiner Schuld bewußt war, bemerkte ich nach einiger Zeit zögernd: 'Ich hab' doch nicht etwas gesagt, was ...'
Ich ließ den Satz unvollendet, weil ich doch reichlich verunsichert war und nicht noch zusätzlich ins Fettnäpfchen treten wollte, falls ich in irgendein Fettnäpfchen getreten war. Myriam hüllte sich aber nach wie vor in Schweigen, und erst als wir dem Ausgangspunkt des Ritts schon bedenklich nahe gekommen waren, murmelte sie mit tonloser Stimme: 'Ach, mach dir nichts draus! Ich bin ja solche Dinge gewohnt!'
Na, was soll denn das wieder heißen? Und wie hängen die zwei Dinge zusammen? Und laut sagte ich: 'Bitte, was meinst du denn damit, liebe Myriam? Ich versteh' dich nicht!'
Aber glaubt ihr, sie hätte mich über den Sinn dieser kryptischen Aussage aufgeklärt? Weit gefehlt! Und nachdem sie sich lang genug ausgeschwiegen hatte, hieß es auch schon absteigen, und wir bildeten wieder einen Teil der Gruppe, und es war kein privates Wort mehr möglich. Könnt ihr euch vorstellen, wie mir zumute war?
Zum Glück gelang es dem Götzi, mich ein kleines bißchen aufzuheitern, und dabei machte er das garantiert völlig unbeabsichtigt. Er hatte bestimmt nichts gemerkt; dazu war er offenbar viel zu sehr mit sich selber beschäftigt. Er kam nämlich mit leicht verstörter Miene auf mich zugestürzt, und ich wollte schon fragen, was denn passiert sei. Aber er kam meiner Frage zuvor und redete mich mit gedämpfter Stimme, aber irgendwie drängendem Ton an: 'Sag einmal, Christian, wo zieht man sich eigentlich in der Wüste zurück, um zu schiffen?'
'Oh!' machte ich und wäre beinahe laut herausgeplatzt. 'Wo man in der Wüste ...' Na, darüber hatte ich tatsächlich noch nie nachgedacht, das heißt, ich hatte mir noch nie klargemacht, daß das echt ein Problem sein könnte. Ich schaute nachdenklich in die Runde: kein Bäumchen, kein Strauch, nicht einmal ein Felsen oder sowas. Und die Myriam - die war auf einmal auch wie vom Erdboden verschluckt. Da - ein Schild mit einem roten Pfeil, und über diesem stand groß und deutlich zu lesen: 'Toilet', und darüber noch was in arabischer Schrift. Triumphierend hob ich meinen Arm und zeigte auf dieses Schild und schaute dabei grinsend den Götzi an. Und der blickte in die angegebene Richtung, wo in geringer Entfernung ein größeres Zelt zu erkennen war, rief hörbar erleichtert 'Ah!' und war im nächsten Moment abgezischt. Schmunzelnd dachte ich daran, daß er ja möglicherweise nicht der einzige sei, der ... Naja, für alle Fälle erhob ich nun meine Stimme und rief in die Runde, in dem Zeltbau nebenan gebe es eine Toilette. Lacht nicht! Sowas scheint tatsächlich auch zu den Pflichten eines Reiseleiters zu gehören. Und was war der Erfolg meiner Aktion? Ein sofortiges wildes Gerenne vor allem meiner Damen Richtung Zelt, und zurück blieben nur die drei Kinder, der Vater der kleinen Barbara und unsere liebe Lydia. Nun, unsere Kinderlein nutzten die Wartezeit, die sich auf diese Weise ergeben hatte, indem sie sich weiterhin eingehend mit den süßen Kamelen beschäftigten; Klein-Barbaras Väterchen ließ sich mit einem Souvenirverkäufer ein; unsere liebe Myriam war jetzt wieder zu sehen, trieb sich aber in
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