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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Wänden, einander genau gegenüberliegend, finden sich zwei rechteckige Öffnungen. In diesen enden laut Myriam zwei vollkommen gerade Luftkanäle oder Ventilationsschächte, die aber möglicherweise auch dem Flug der Seele des verstorbenen Pharao in den Himmel gedient haben könnten.
    Und übrigens war auch nicht der gesamte Weg zu dieser Grabkammer so schrecklich, wie ich's vorhin geschildert habe. Teilweise war dieser beklemmende Gang zwar genauso steil wie sonst, aber nicht ganz so niedrig, daß man tief gebückt gehen mußte, sondern so hoch, daß wir zu fünft übereinander hätten gehen können - wenn wir wollen hätten; aber wir wollten nicht. Aber gelohnt hätte es sich, denn dieser hohe Gang war von unten bis oben mit derselben Präzision gebaut wie die Sargkammer und im Detail vielleicht noch interessanter; aber leider mußte man dort viel zu sehr auf den Weg und auf Myriam achten, als daß man diesen Wundern gebührende Aufmerksamkeit hätte schenken können. Und daß es jetzt, auf dem Rückmarsch, steil bergab ging, erleichterte die Sache keineswegs, eher im Gegenteil.
    Und dann waren wir endlich wieder draußen, und ein jeder atmete hörbar auf, und das ergab ein richtiges Blaskonzert. Aber natürlich war's, rückblickend gesehen, ein Erlebnis, das sicher keiner missen möchte. Eigentlich beobachte ich auf Reisen immer wieder, und nicht nur bei mir, dasselbe Phänomen: alles Unangenehme wird vergessen oder verdrängt, oder wie man da sagt, und man erinnert sich nur mehr an die schönen und angenehmen Dinge. Das scheint direkt ein Charakteristikum der menschlichen Psyche zu sein, ein richtiger Mechanismus, und seine Funktion scheint es zu sein, das Leben gewissermaßen erträglicher und lebenswerter zu machen, als es sonst wäre.
    Trotzdem war unser Martyrium als solches noch nicht ganz zu Ende, denn jetzt stürzte sich wieder einmal eine ganze Horde von Souvenirhändlern auf uns und machte den Weg zum Bus zu einem einzigen Spießrutenlauf. Aber inzwischen hatte keiner von uns mehr besondere Lust, sich mit diesen lästigen Teufeln herumzuschlagen; wahrscheinlich waren alle schon entsprechend geschafft. Und so wurde der Bus fast gestürmt, und es folgte ein zweites und jetzt endgültiges Blaskonzert - ich meine immer noch: mit dem Mund; also: wir atmeten alle erleichtert auf. Und wohin jetzt? Hätten wir nicht eigentlich gleich zu Fuß ins Hotel marschieren können? Nein, nur das nicht! Wie hätten wir da diese hartnäckigen Kerle abschütteln können? Und vielleicht sehen wir heute noch was Schönes.
    Und alle Blicke richteten sich erwartungsvoll auf mich oder auf Myriam oder auf beide. Und siehe da, Myriam greift nach dem Mikrophon und sagt, es sei ohnehin noch zu früh, um ins Hotel zurückzufahren, und daher wolle sie uns zum Abschluß des heutigen Tages noch in ein Papyrusinstitut führen. Oho! Papyrusinstitut - da wurde ich hellhörig. Und es gebe gleich in dem Dörfchen zu Füßen dieses Hügels ein solches. Vielleicht hätten wir schon gesehen, daß die Souvenirhändler massenhaft sogenannte Papyrus-Schmuckbilder anbieten. Na, und ob wir das schon gesehen haben! Aber die seien nur billigste Massenware, fuhr Myriam fort, die mit echtem Papyrus nicht mehr als den Namen gemein habe. Echte Papyrus-Schmuckbilder sehe man hingegen im erwähnten Papyrusinstitut, und dort werde man uns sogar vorführen, wie Papyrus erzeugt wird. Na, das klang ja höchst spannend, jedenfalls für meine Ohren!
    Wir fuhren noch einmal an der Großen Sphinx vorbei und wieder in das Dörfchen hinein, und dort hielt Machmut vor einem Gebäude mit der Aufschrift 'Papyrus Institute'. Das war aber, wie wir gleich darauf erkannten, nicht der einzige Hinweis darauf, daß dieses Gebäude was mit Papyrus zu tun hatte, denn da gab's vor dem Eingang noch ein kleines eingezäuntes Wasserbecken voll mit mannshohen Papyrusstauden, und die nahmen, wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, so sehr meine Aufmerksamkeit gefangen, daß ich dadurch beinahe zur Vorführung drinnen zu spät gekommen wäre. Da stand also bereits einer hinter einem Vorführtisch und hielt eine einzelne Papyruspflanze mitsamt ihrer zierlichen Krone vielversprechend in die Höhe und sprach durchaus akzeptables Deutsch. Er schien mit der Begrüßung schon fertig zu sein und erklärte meinen Leuen gerade, für was die alten Ägypter 'diese wunderbare Pflanze' alles verwendet haben: ihre dreikantigen Stengel dienten ihnen als Stöcke, aus ihnen machten sie sich Seile,

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