Geliebte Nanny
rotbraunem Leder. Was ja nicht weiter schlimm wäre, hätte er vorher vielleicht seine Burlington Business - Socken ausgezogen.
»Sie machen das wirklich gut. Äh, ich meine – mit den Kindern und so…«, lenkt er ab. Ich schaue ihn zweifelnd an. »…jedenfalls besser als Claudia«, vervollständigt er seinen Satz.
»Finden Sie?«
»O ja, aber das liegt Ihnen sicher im Blut.« Er kratzt sich verlegen am Kopf. »Ich meine, da wo Sie herkommen, da hat man nun mal viele Kinder und kennt sich aus, stimmt’s?«
»Ööh...tja«, stutze ich, stimme ihm im Nachhinein jedoch zu: »Sie haben Recht, wahrscheinlich liegt es daran.«
Seltsamer Dialog. Ich vermute ja, dass er lediglich das obligatorische Gespräch zwischen Arbeitgeber und Angestellter führen will – anstandshalber versteht sich. Dummerweise hat er keine Ahnung, worüber er mit einer kopftuchtragenden Angestellten reden soll.
In unangenehmes Schweigen gehüllt, stehen Arndt und ich uns gegenüber. Gerald nuckelt schläfrig an seinem Schnuller, denkbar, dass er von der Fliege hypnotisiert wurde, die ihm unentwegt um die Nase kreist. Urplötzlich durchbohren schrille Rufe die stumme Atmosphäre und im nächsten Moment rauscht Klodia um die Ecke.
»Arndt! Hier bist du also.« Arndt zuckt flüchtig zusammen. Klodias Augen werden schmal wie Schlitze. Ein kurzer bissiger Blick streift mich. Moment, jetzt aber mal schön die Kirche im Dorf lassen. Was denkt die eigentlich? Ich unterhalte mich hier lediglich mit meinem Arbeitgeber, sofern man diese drei Sätze überhaupt als Unterhaltung bezeichnen kann.
»Wo bleibst du bloß Arndt? Der Champagner wartet. Außerdem wollen Giselle und Ernesto uns endlich von ihrem Segeltörn erzählen. Sie haben Bilder mitgebracht.« Divamäßig fährt Klodia sich mit den Fingern durch’s Haar und präsentiert uns dabei gekonnt ihr, auf Doppel - D getuntes, Dekolleté.
Arndt setzt sich in Bewegung und nickt verabschiedend. Gerald, der durch Klodias Gezeter wieder hellwach ist, blickt seinen Eltern nach. Er streckt seine Ärmchen aus und steht wieder mal kurz vor einer Brüll-Attacke. Aber Klodia hat ihren Sohn nicht im Geringsten wahrgenommen. Sie weilt schon wieder inmitten ihrer Partygäste und lässt sich von Ihnen bewundern.
Ich streichle dem Kleinen tröstend über den Kopf und ernte ein Lächeln. Diese kleinen Hasenzähnchen sind aber auch zu niedlich.
Am frühen Abend, es herrscht immer noch eine Bullenhitze, wird das Buffet eröffnet. Es gibt Kaviar, Lachs, gefüllte Wachteleier und massenhaft andere sündhaft teure Speisen, die gar nicht so aussehen, als dass man sie essen könnte; dazu eisgekühlten Champagner, den diese Reichen picheln, wie der Durchschnittsalkoholiker Dosenbier.
Alle stürzen sich auf das Festgelage. Ich habe mir vorgenommen, erst einmal abzuwarten, bis der größte Ansturm vorüber ist; zumal es auch einen seltsamen Eindruck hervorrufen würde, wenn die türkische Nanny als Erste am Büffet stünde. Um Gerald mache ich mir keine großen Sorgen. Er hat gerade erst einen Griespudding und drei Bananen verdrückt und sieht aus, als sei er satt; für die nächsten drei Tage.
Ich sehe mich nach Pauline um. Sie hockt immer noch auf der Luftmatratze. Augenblick mal…vor ein paar Minuten saßen da doch noch drei Mädchen drauf. Wo ist Klara? Und was ist mit Pauline und Hilda los? Angesichts ihrer weitaufgerissen Augen könnte man meinen, ein furchterregendes Seeungeheuer würde um ihre Luftmatratze herumkreisen. Aber hier, in einem Luxuspool, mitten im Rheinland? Eher unwahrscheinlich.
Ich schärfe meinen Blick. Meine Augen starren ins glitzernde Wasser des Swimmingpools. Mittendrin entdecke ich Klara. Für Sekunden bin ich wie besinnungslos. Sie strampelt panisch mit Armen und Beinen. Ihr Kopf befindet sich unter Wasser. Anscheinend kann sie nicht schwimmen. Hilda und Pauline klammern sich an der Luftmatratze fest und fangen an zu kreischen. Doch im dumpfen Stimmengewirr der feuchtfröhlichen Partygäste schwinden ihre Angstschreie dahin. Bin ich etwa die einzige Zeugin dieser schrecklichen Szene? Schampus gibt’s im Überfluss, das Interesse an den Kindern hingegen ist hier Mangelware.
Eilig schnalle ich Gerald in seinem Buggy fest, damit er während meiner Abwesenheit nicht herausfällt. Dann fasse ich meinen ganzen Mut zusammen und stürme los. Mit rudernden Armbewegungen, bahne ich mir einen Weg durch die schlemmende Gesellschaft und stürze mich kopfüber ins Wasser. Ich
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