Geliebte Nanny
Teller.
»Guten Appetit!«
Ich bedanke mich und probiere vom Salat, zumindest meine ich, dass es sich um Salat handelt.
»Klara liegt jetzt im Krankenhaus«, berichtet Pauline.
Sie setzt sich neben mich.
»Wenn ich groß bin und schwimmen kann, möchte ich auch so einen Rettungsschwimmeranzug haben, genau wie du, Mel.«
Ich versuche ein Lachen zu unterdrücken.
»Da wird sich deine Mama aber freuen«, sage ich voller Ironie.
Arndt lacht lautlos in sich hinein.
»Ich wollte mich bei Ihnen bedanken, Mel. Ich und die meisten anderen hier, haben gar nicht wahrgenommen, was da passiert ist. Und ich muss gestehen, wir alle standen nur hilflos da. Es ist wirklich sehr beschämend!« Um seiner Aussage mehr Kraft zu verleihen, senkt er betreten seinen Blick.
Es dämmert. Die Party ist schon wieder in vollem Gange, und der Vorfall mit Klara scheint fast wieder vergessen. Einige der Gäste sind mir seitdem kaum von der Seite gewichen und bekundeten mir mehrfach ihren vollsten Respekt. Albert und Sarita zum Beispiel.
Andere fixieren mich geringschätzig und tun gerade so, als hätte ich ihnen die Show gestohlen. Der Rest ignoriert mich einfach. Man kann es anscheinend nie Allen recht machen! Aber was habe ich denn erwartet? Dass sie mir zujubeln und mich als Heldin feiern?
Wenn ich ehrlich bin, JA! Irgendwie schon. Schließlich habe ich ein Kind gerettet.
Was sind das für Menschen? Ich habe das Gefühl, als lebten diese Leute in einem autonomen Mikrokosmos, wo eigene Grundsätze walten. Grundsätze die niemand begreift, der nicht hier rein gehört. Aber mal ganz im Ernst: Hier will ich überhaupt nicht rein gehören!
Für heute reicht es mir. Ich habe genug von den Schampus süppelnden oberen Zehntausend. Genug von Party, Pool…und Burkini sowieso. Ich schnappe mir den Buggy und gehe.
Pauline macht keine Anstalten, mit uns ins Haus zu kommen. Mit einem herzbewegenden Blick, den ein verhungernder Welpe nicht besser drauf gehabt hätte, bittet sie Arndt, noch auf der Party bleiben zu dürfen. Welcher Vater kann da schon nein sagen?
»Aber nicht zu lange Mäuschen.«
Pauline trabt fröhlich in Richtung Buffet, um sich noch eine Riesenportion Schoko - Trüffelcreme einzuverleiben. Arndt schaut auf seine Uhr und wendet sich an mich: »Für mich ist die Party jetzt auch zu Ende. Ich muss morgen ziemlich früh raus. Holen Sie Pauline in spätestens zwei Stunden ab. Sie muss ihre Mutter nicht so beschwipst sehen.«
Er schielt zu Klodia, die gerade wieder mal ihr Glas erhebt, um einen Toast auszubringen. Arndt rollt mit den Augen und schüttelt den Kopf. »Gute Nacht.« Er wuschelt Gerald zum Abschied in den Haaren herum und geht.
Gerald schläft in seinem Bettchen. Irgendwann muss ich wohl eingenickt sein, denn als ich aufwache, ist es stockdunkel draußen. Die Party ist längst vorbei.
»Spricht sie etwa kein Deutsch? Wie kommuniziert sie denn mit den Kindern?«
Der Anblick des leeren und unbenutzten Bettes versetzt mich in schiere Panik.
»Pauline?!«
Wo um Himmels Willen ist Pauline?! Ein Vakuum breitet sich rasend schnell in meinem Kopf aus, bis er nahezu blutleer ist. Vor Entsetzen sammeln sich sämtliche Lebenssäfte in meinem Brustraum und verursachen dort eine wahnsinnige Beklemmung. Ich ringe nach Luft und versuche einen klaren Gedanken zu fassen, doch stattdessen geht meine Fantasie mit mir durch. Sie wurde entführt!
»O Gott…!« Und ich werde gelyncht. »Beruhig dich Mel!«, sage ich zu mir selbst und atme tief ein. Und wieder aus. Und wieder ein.
›Sie wurde nicht entführt!‹, ist mein nächster Gedanke und das verschollene Blut schießt mir endlich wieder in den Schädel zurück.
Ich renne auf den Balkon und suche von dort den Garten ab. Mein Blick schweift zum Pool. Keine Menschenseele zu sehen.
Halleluja, die Party gestern hat ein gewaltiges Chaos im Garten hinterlassen. Überall stehen schmutzige Teller, leere Flaschen und Gläser herum. Einige der riesigen Müllsäcke sind umgekippt; das ganze Zeug bedeckt nun die ehemals akkurate Wiese. Ringsherum liegen – in Einzelteilen verstreut – die Überreste der edlen Teakholz - Gartengarnitur, die sich höchstens noch als Brennholz eignet. Im Pool schwimmt ein einsamer Strohhut.
Wie, keine Schnapsleichen?
Ich peile den Buffetbereich an, der von der Verwüstung verschont geblieben ist. Dann meine ich, etwas Rosafarbenes wahrzunehmen. Etwas flauschiges Rosafarbenes. Ich versuche es besser zu erkennen, indem ich
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