Geliebte Nanny
und mein sechster Sinn sagt mir, dass David sich gerade genau die gleiche Frage gestellt hat.
»O, tut mir leid. Das geht leider nicht. Nur Eltern!« Dr. Smolka hebt bedauernd seine Augenbrauen und legt die Stirn in Falten. An David gewandt sagt er: »Keine Sorge. Wir haben erstklassiges Fachpersonal, das sich intensiv um die Pflege des Kleinen kümmern wird. Und wenn alles gut verläuft, können Sie ihn Übermorgen wieder abholen.«
»Ist gut«, willigt David ein und versucht, mich mit ein paar tröstenden Worten aufzumuntern: »Sie können ihn doch morgen besuchen, Melek. Er wird hier gut versorgt.« Ein Blick auf seine Armbanduhr lässt ihn energischer werden, als er weiter redet: »Sie sollten sich jetzt besser keine Sorgen mehr machen, sondern schleunigst ins Bett gehen. Sie haben schließlich noch ein anders Kind zu versorgen, zu Hause.«
Er hat Recht. Ich kann Pauline jetzt nicht vernachlässigen. Nicht nachdem ich ihr heute Morgen klarmachen musste, dass niemand aus ihrer Familie zur Ballettaufführung kommen wird.
Aber halt…was ist mit David? Vielleicht könnte er ja mitkommen. Selbstverständlich ohne Giulia.
Auf dem Weg zum Parkplatz taste ich mich vorsichtig an das Thema heran. Zwar weiß ich, dass er Morgen früh eine wichtige Besprechung hat, aber jetzt wo Arndt nicht da ist, ist David schließlich der Chef. Und Chefs können sich erlauben zu kommen und zu gehen, wann immer es ihnen beliebt (zumindest in Hollywood).
Einen Versuch ist es wert.
»Ob ich mit Ihnen dorthin gehe?«, fragt er, ohne eine Miene zu verziehen, nachdem ich mir ein Herz gefasst habe, das Thema zur Sprache zu bringen und mein Puls wieder mal bei 220 liegt. Na toll, was soll diese bescheuerte Gegenfrage? Jetzt bin ich noch mehr verunsichert. Herrgott noch mal! Hätte er nicht klipp und klar antworten können: ›Sie haben doch wohl ’nen Vogel‹, falls er die Idee Scheiße findet, oder: › Ja, ich komme liebend gerne mit, zu Paulines Ballettaufführung.‹
Warum müssen Männer immer alles so kompliziert machen? Von wegen Rationalität.
»Pauline würde sich bestimmt freuen, wenn wenigstens ein Familienmitglied dabei wäre!«, bohre ich und blicke ihn flehentlich an. Wir sind an seinem Auto (einem eher unauffälligen schwarzen Audi) angekommen. Er öffnet mir die Beifahrertür.
»Hm…warum eigentlich nicht?«
Er steigt ein und lässt den Motor an, fährt aber nicht los, sondern lehnt sich im Sitz zurück und dreht seinen Kopf in meine Richtung.
»Ist die Tochter von Giulia nicht im gleichen Ballettkurs?«
Na Klasse!
»Sie wollen also mit Giulia hingehen? Wegen Hilda ?«, frage ich mürrisch, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Nein, ich komme natürlich mit Ihnen und Pauline mit.«
Er lächelt.
»Dann ist ja gut!« Damit wende ich mich von ihm ab und schaue aus dem Fenster.
Die Rückfahrt erweist sich als außerordentlich schweigsam. Doch kurz bevor wir das Grundstück erreichen, räuspert David sich und sagt: »Danke, dass Sie sich so großartig um meine Nichte und meinen Neffen kümmern, Melek.«
Ein kurzer verlegener Blick.
»Ich mache bloß meinen Job!«
»Ich glaube, es ist mehr als ein Job für Sie.«
»Wie kommen Sie darauf David?«
»Sie haben vor Sorge um Gerald geweint. Und ich sage Ihnen, das hätte Claudia nicht getan.«
Okay, er hat gewonnen.
»Claudia ist eine erbärmliche Mutter!«, beschwere ich mich. »Sie ist egoistisch und kaltherzig. Die Kinder tun mir leid.«
»Ich weiß«, seufzt David.
Wir sind angekommen. Schweigend gehen wir ins Haus, die Treppe hoch und den Korridor entlang.
»Gute Nacht, Melek. Bis morgen «, sagt er bevor ich in meinem Zimmer verschwinde.
»Hab ich die ganze Nacht hier, auf Ihrem Sofa verbracht?«
Am nächsten Morgen besuche ich Gerald sehr früh im Krankenhaus. Es geht ihm erheblich besser. Als ich am späten Vormittag wieder zu Hause bin, fasse ich mir ein Herz und wähle Klodias Handynummer. Ich sehe es als meine Pflicht an, eine Mutter über den Gesundheitszustand ihres Kindes zu informieren.
Es tutet dreimal, dann schaltet sich die Mailbox ein. Ich spreche Klodia ein paar Sätze auf’s Band und hoffe, dass sie sich im Laufe des Tages zurückmelden wird.
In einer Stunde beginnt Paulines Ballettaufführung. Ich mache mich gerade fertig, da klopft es an meiner Zimmertür.
»Einen Moment bitte!« Eilig schaue ich in den Spiegel, um mich zu vergewissern, dass meine Verkleidung perfekt ist. Ich
Weitere Kostenlose Bücher