Geliebte Rebellin
ignorierte die Bewunderung, die in ihren Worten mitschwang, und konzentrierte sich darauf, die dunkle Kutsche zu beobachten, die aus dem Nebel auftauchte. Zuerst die Pferde, zwei graue Phantome, die eine klar umrissene Gestalt annahmen. Hinter ihnen nahm auch das Fahrzeug Konturen an. Der Kutscher, den er gemeinsam mit der Kutsche und dem Pferdegespann bei den Severedges-Ställen gemietet hatte, hatte Baxter schon viele Male herumgefahren. Er war an die verrückten Einfälle seines Kunden gewöhnt.
Baxter war schon seit Jahren Stammkunde bei dem großen Mietstall. Er empfand es als rationeller und wirtschaftlicher, keinen eigenen Stall zu unterhalten, sondern immer dann, wenn er eine Kutsche brauchte, Severedges zu verständigen. Insofern war er ein langjähriger und guter Kunde, und da er zudem seine Rechnungen prompt beglich, konnte er sich auf bevorzugte Behandlung und Diskretion verlassen.
»Hatten Sie Schwierigkeiten, Sir?« erkundigte sich der Kutscher, als er die Pferde zum Stehen brachte.
»Keine, die meine Begleiterin und ich nicht selbst hätten bewältigen können.« Baxter riss die Tür der Kutsche auf. Er umfasste mit beiden Händen Charlottes Taille und hob sie behende auf die Sitzbank. »Bringen Sie uns wieder zu Miss Arkendales Haus.«
»Ja, Sir.«
Baxter sprang in die Kutsche, schloss die Tür und ließ sich gegenüber Charlotte auf den Sitz sinken. Das Fahrzeug setzte sich polternd in Bewegung.
Er überprüfte, ob vor sämtlichen Fenstern die Vorhänge zugezogen waren. Dann drehte er sich wieder zu Charlotte um. Im bleichen Schein der Innenbeleuchtung hatten ihre Augen einen strahlenden Glanz.
»Mr. St. Ives, ich kann Ihnen gar nicht genug dafür danken, wie Sie sich heute Nacht verhalten haben«, sagte sie. »Sie haben sich in einer Krisensituation als wahrhaft edelmütig und heroisch erwiesen, und Ihr wacher Verstand nötigt mir Bewunderung ab. All meine Zweifel in bezug auf Ihre Anstellung in meinem Unternehmen haben sich zerstreut. Mr. Marcle hat absolut richtig gelegen, als er Sie zu mir geschickt hat.«
Wut wogte ohne jede Vorwarnung in ihm auf. Sie hätte heute Nacht ohne weiteres ums Leben kommen können, sagte er sich. Und da saß sie jetzt, strahlte vor Begeisterung und lobte ihn, als sei er ein Dienstbote, der seine Aufgaben besonders gut erledigt hatte. Wenn das nicht genügt hätte, um in jedem halbwegs vernünftigen Mann den Wunsch zu wecken, spontan aus der Haut zu fahren.
»Es freut mich sehr, dass meine Dienste Sie zufriedenstellen, Miss Arkendale.«
»Allerdings, Sir. Ich bin absolut begeistert. Sie werden in der Tat einen ganz ausgezeichneten Sekretär abgeben.«
»Aber was meine professionelle Sicht der Dinge angeht«, fuhr er mit einer sehr leisen und einschmeichelnden Stimme fort, »muss ich sagen, dass Ihr leichtsinniges Vorgehen heute Nacht unvertretbar war. Eine solche Dummheit lässt sich durch nichts rechtfertigen. Ich muss von Sinnen gewesen sein, als ich zugelassen habe, dass Sie Drusilla Hesketts Haus durchsuchen.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, Sie um Erlaubnis gefragt zu haben, Sir.«
»Dieser Mann, der sich uns auf der Straße genähert hat, hätte Ihnen etwas antun und Sie verletzen und vielleicht sogar töten können.«
»Ich war nicht in Gefahr, und das habe ich Ihnen zu verdanken, Sir. Ich wüsste wirklich nicht, was ich heute Nacht ohne Sie getan hätte.« Ihre Augen leuchteten. »Kein Mann ist jemals zu meiner Rettung gekommen, Mr. St. Ives. Ich fand dieses Erlebnis eigentlich äußerst faszinierend. Solche Dinge liest man normalerweise nur in den Schauerromanen oder in einem von Lord Byrons Gedichten.«
»Verdammt noch mal, Miss Arkendale . . .«
»Sie waren einfach wunderbar, Sir.« Ohne jede Vorwarnung schlang sie ihre Arme um seinen Hals und drückte ihn einen Moment lang überschwenglich an sich.
Die Falten ihres Umhangs hüllten ihn von allen Seiten ein. Baxter wurde plötzlich von einem warmen, betörenden und ganz unbeschreiblichen Duft umfangen, der sich aus Charlottes unaufdringlichem blumigem Parfüm, aus den Kräuterextrakten ihrer Seife und aus dem einzigartigen und ungeheuer weiblichen Duft ihres Körpers zusammensetzte.
Eine sengende Klarheit durchzuckte ihn mit der Geschwindigkeit eines Stromstoßes, der wiederum eine wahrhaft alchemistische Reaktion hervorrief. In alten Zeiten hatte man daran geglaubt, dass es mit Hilfe von Feuer möglich sei, unedles Blei in prächtiges Gold zu verwandeln. Baxter wusste jetzt, dass es
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