Geliebte Rebellin
Abends angestellt hatten, und dann hörten wir plötzlich jemanden in der Eingangshalle. Du weißt ja selbst, wie laut die Bodendielen vor der Küchentür quietschen, wenn man drauftritt.«
»Ja, das weiß ich. Was ist passiert? Ist etwas gestohlen worden?«
»Nein, Gott sei Dank, nichts. Mr. St. Ives hat den Schurken verfolgt und ihn durch die Hintertür in den Garten hinausgejagt.«
Ariel neigte den Kopf. »St. Ives hat ihn gejagt?«
»Ja. Er ist ganz außerordentlich tapfer und schnellfüßig. Aber der Eindringling hatte einen zu großen Vorsprung und ist in die Nacht verschwunden.«
»Schnellfüßig?« Ariel schien einen Moment von dieser Bemerkung fasziniert zu sein. »Ich hätte Mt St. Ives nicht für schnellfüßig gehalten. Aber das macht nichts. Jetzt sprich schon weiter. Erzähl mir den Rest.«
»Viel mehr gibt es nicht zu erzählen. Mr. St. Ives und ich sind gemeinsam durch das ganze Haus gelaufen, nachdem der Schurke geflohen war. Wir haben das Silber und andere Dinge, die ein Dieb hätte mitgehen lassen können, gründlich überprüft, aber es schien nichts zu fehlen. Mr. St. Ives hat das Gefühl, dass wir den Eindringling gestört haben, ehe er seine Tat vollbringen konnte.«
»Gott sei Dank.« Ariel setzte sich mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck an den Tisch. »Es ist wirklich verblüffend. Irgendein Dieb muss bemerkt haben, dass das Haus letzte Nacht leergestanden hat, und er hat beschlossen, diese Gelegenheit auszunützen.«
»Ja, genauso scheint es.«
»Was für ein Glück, dass du nicht allein warst, als du den Einbrecher im Haus gehört hast.«
»Ja.«
»Warum hast du mir all das nicht schon erzählt, als ich zur Tür hereingekommen bin?« fragte Ariel.
»Da nichts passiert ist, bin ich zu der Schlussfolgerung gelangt, es sei sinnlos, aufzubleiben und zu warten, damit ich dir die ganze Geschichte erzählen kann.« Und es bestand auch kein Anlass, zu erwähnen, dass sie noch stundenlang wachgelegen und auf jedes Ächzen und Knarren gelauscht hatte, das im Haus zu hören war, nachdem Baxter gegangen war, sagte sich Charlotte.
Wenn sie zwischendurch einmal nicht jeden Laut bewusst wahrgenommen hatte, dann hatte sie an Baxter gedacht. Nachdem ihnen der Eindringling in die Quere gekommen war, hatte sich seine Stimmung gewandelt. Seine stahlharte Selbstbeherrschung hatte wieder die Oberhand gewonnen, und von einer Affäre war nicht mehr die Rede gewesen.
Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder zutiefst enttäuscht sein sollte.
»Es war schon recht spät, als Lady Trengloss mich in ihrer Kutsche nach Hause gebracht hat«, gestand Ariel. »Ich glaube, ich bin wirklich noch nie in meinem ganzen Leben bis zum Morgengrauen aufgewesen. Ihre Ladyschaft hat mir erzählt, dass während der Ballsaison die meisten Angehörigen der oberen Zehntausend mindestens bis zum Sonnenaufgang auf den Beinen seien.«
Charlotte strich Stachelbeermarmelade auf ihren Toast. »Hast du dich gut amüsiert?«
Ariels Wangen röteten sich vor Begeisterung. »Ich habe einen wunderbaren Abend verbracht. Mir war zumute, als sei ich unvermittelt in eine andere Welt eingetreten.«
»Das ist eine Welt, die deine Mutter sehr genossen hat.« Die vertraute Sehnsucht, die immer dann auftaucht, wenn sie sich an die Zeiten vor Winterbourne erinnerte, versetzte Charlotte einen Stich. »Erinnerst du dich noch daran wie sehr Mama die Ballsaison geliebt hat?«
»Wenn sie abends ausgegangen ist, hat sie immer so wunderschön ausgesehen.« Ein zärtlicher Ausdruck trat in Ariels Augen. »Und Vater war ein so gutaussehender Mann. Ich erinnere mich noch, wie gern ich früher am Fenster gestanden und ihnen nachgeschaut habe, wenn sie gemeinsam in der Kutsche fortgefahren sind. Dann habe ich mir immer ausgemalt, sie seien ein Prinz und eine Prinzessin aus einem Märchen.«
Ein kurzes Schweigen entstand. Charlotte schüttelte mühsam die Vergangenheit ab. Sie konnte intuitiv wahrnehmen, dass es Ariel ebenso erging. Sie wussten beide, wie das Märchen geendet hatte.
»Mir ist aufgefallen, dass du auf dem Hiltson-Ball mit dem Earl von Esherton getanzt hast«, sagte Charlotte.
Ariel errötete. »Ich habe am späteren Abend auf der Soiree der Todds noch einmal mit ihm getanzt. Er ist ein ausgezeichneter Tänzer, und die Dinge, die er zu erzählen hat, sind äußerst interessant.«
»Er sieht sehr gut aus.«
»Ja, und er ist durch und durch ein Gentleman. Ich wünschte nur, ich hätte jeden Walzer mit ihm tanzen können. Aber das
Weitere Kostenlose Bücher