Geliebte Suenderin
knöpfte sie jetzt zu. »Ja, aber ich sehe nie genug, um viel darüber sagen zu können. Das ist das Verfluchte daran. Ich sehe nur genug, um mich zu beunruhigen. Ich bin mir nicht einmal sicher, was ich Euch erzählt habe.«
»Es hat etwas mit Sabrina und mir zu tun - und Bonnie Charlie. Wird Sabrina etwas passieren?« fragte Lucien ohne Umschweife.
»Ja«, erwiderte Mary leise, »aber ich kann nicht sagen, wann.«
»Na, dann werde ich mal dafür sorgen, daß es heute abend nicht passiert, und Sonntag werde ich sie haben«, versprach Lucien.
Colonel Fletcher erhob sich. »Ich hätte nicht gedacht, daß irgend jemand Bonnie Charlies wahre Identität kennt. Ich darf doch wohl bezweifeln, daß sie es Euch erzählt hat?« fragte der Colonel und sah die beiden schweigenden Leute neugierig an.
»Es ist unwichtig, wie ich es herausgefunden habe, Colonel«, informierte Lucien ihn mit eisiger Stimme, »aber es ist von allergrößter Wichtigkeit, daß die zukünftige Herzogin von Camareigh und Eure zukünftige Schwägerin heute abend nicht gefangengenommen oder erschossen wird.« Er sah den Colonel herausfordernd an. »Ich hoffe doch, daß wir das nicht zu be-fürchten haben?«
»Ich bin keiner, der blind Befehle befolgt, Eurer Gnaden«, beschwichtigte Colonel Fletcher Lucien. »Ich werde heute abend auch dort sein, nur um sicherzugehen, daß nichts Unvor-hergesehenes passiert, und ich werde dafür sorgen, daß meine Männer weit weg vom Geschehen postiert sind.«
»Ich danke Euch, Colonel. Ihr werdet es nicht bereuen, denn nach diesem Sonntag wird Euch Bonnie Charlie nicht mehr belästigen«, sagte Lucien im Brustton der Überzeugung.
»Ich habe Lady Sabrina einmal gesagt, sie bräuchte eine führende Hand, und sie entgegnete mir, daß ihr der Mann, der das könnte, noch nicht begegnet sei, aber ich glaube, er ist ihr doch schon begegnet«, sagte der Colonel mit einem prüfenden Seitenblick auf den Herzog.
Lucien lächelte. »Ich glaube, in der Angelegenheit sind wir uns einig, Colonel. Je eher Bonnie Charlie außer Gefecht gesetzt ist, desto besser. Trotzdem mache ich mir Sorgen wegen dieser Vision von Lady Mary. Vielleicht war es eine Warnung vor heute abend? Ich möchte sie nicht gefangennehmen, obwohl wir das könnten, sie ist bewaffnet, und ihre beiden großen Freunde könnten Dummheiten machen, was uns alle das Leben kosten könnte. Jedes Wort von Euch vor Sonntag wäre verdächtig, fürchte ich, also muß es dann geschehen. Ich hoffe nur, daß ihr bis dahin nichts zustößt.«
»Ich fürchte, Ihr habt recht. Als Bonnie Charlie hat sie mich in so viele Sümpfe und Brombeerdickichte geführt, und sie kennt so viele Verstecke, daß wir sie nie finden würden. Und der Bitte von Mary, zu kommen, würde sie auch nicht glauben. Wir müssen einfach dafür sorgen, daß heute abend nichts passiert.
Mehr können wir nicht tun«, riet der Colonel mit grimmiger Miene.
Mary sah sich die beiden Männer an, so verschieden und doch so ähnlich standen sie da und trafen Entscheidungen über die Zukunft Sabrinas und aller Verricks.
Lucien saß still, aber mit wachsamem Auge am großen Bankett-tisch. Hier hatte alles begonnen. Hier schließt sich der Kreis, dachte er. Zynisch grinsend betrachtete er die Samtvorhänge, die denen, durch die sie das erste Mal erschienen war, so ähnlich waren. Würde sie es wagen, heute abend zu kommen - obwohl sie genau wußte, daß auch er hier war?
Er lächelte und strich sich mit dem Zeigefinger über die Narbe. Sie wußte, daß er das von ihr erwartete, und sie konnte keiner Herausforderung widerstehen. Das letzte Mal war er überrascht gewesen, ein ahnungsloser Gast. Jetzt saß er hier und beobachtete genau wie damals die anderen. Doch diesmal wußte er, daß sich die Vorhänge jeden Augenblick öffnen konnten und Bonnie Charlie hereinkommen würde. Er sah den lachenden Lord Malton an, dessen Gesicht vom Brandy gerötet war, und konnte sich das Grinsen nicht verkneifen bei dem Gedanken, welche Überraschung dem jovialen Lord bevorstand.
Colonel Fletcher warf ihm einen fragenden Blick von der anderen Seite der Tafel her zu, den er mit einem Achselzucken beantwortete. Es wurde schon spät, und bald würden sich die Gentlemen zu den Ladies im Salon begeben. Er dachte voller Mitleid an Lady Mary, die sich ihr Geplapper anhören mußte, ohne zu wissen, was passierte, obwohl sie wußte, daß etwas passieren würde.
Lucien nahm einen Schluck Brandy und schaute kurz nach unten, als lautes
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