Geliebte Suenderin
gehen. »Ihr ruht Euch jetzt besser aus. John hat Euch etwas Heißes gemacht, und wenn Ihr etwas braucht, werden wir drau-
ßen sein. Ihr müßt bloß schreien.«
Sabrina sah den beiden wehmütig nach. Sie wollte nicht allein sein. Sie brauchte jemanden, der sie in die Arme nahm und tröstete. Sie fühlte sich elend, und ihr war kalt, und sie wollte nur nach Hause in ihr eigenes Bett. Daß sie Lucien heute abend gesehen hatte, hatte in ihr Erinnerungen geweckt und Träume von dem, was zwischen ihnen hätte sein können. Sie starrte in die Flammen des Kamins und spürte keine Wärme, also schloß sie die Augen und kuschelte sich in die Decken, um da Wärme zu finden. Morgen würde sie in der Kirche nachsehen, ob Mary eine Nachricht hinterlassen hatte. Vielleicht hatte Lucien schon aufgegeben. Nach heute abend mußte ihm klar geworden sein, daß sie nie aufgeben würde.
Am nächsten Morgen, als Sabrina die alte normannische Kirche betrat, war alles still und friedlich. Sie ging durch den spitzen Türbogen, den Mittelgang hinunter bis zu der Bank ihrer Familie. Sabrina glitt den glattgesessenen Sitz entlang, tastete mit dem Fuß nach dem losen Stein und stieß ihn mit der Stiefelspitze beiseite.
Sie griff in die Öffnung und holte triumphierend ein Stück gefaltetes Papier heraus. Sie rückte den Stein wieder an seinen Platz und sah dann voller Erstaunen, daß es ein leeres Stück Papier war.
»Da steht nichts«, informierte sie eine Stimme vom Ende der Bank her.
Sabrinas Kopf schnellte überrascht hoch. Lucien stand da und blockierte lässig den Ausgang. Er grinste zufrieden über ihr frustriertes Gesicht. Hochmütig stand er da, in schwarzer Samthose, die der ihren so ähnlich war, mit offenem Rock, unter dem er ein gerüschtes Hemd trug, eine Hand nonchalant auf eine schmale Hüfte gestützt, in der anderen hielt er einen Rohrstock mit Silberknauf, mit dem er gegen seine Stiefel klopfte.
Sabrina wünschte, sie hätte ihre Maske aufbehalten, so daß er nicht sehen konnte, welche Gefühle sich in ihrem Gesicht spiegelten. Sie starrte ihn mit geballten Fäusten an. »Ein Trick?«
fragte sie mit zittriger Stimme.
»Ich fürchte, ja. Das Spiel ist aus, wie ich dir gestern abend sagte, als du fast deinen närrischen Kopf verloren hättest.«
»Woher wußtest du das? Nur Mary -« Sie verstummte, als ihr die schreckliche Wahrheit dämmerte. »Mary? Mary hat es dir gesagt?«
Sabrinas Gesicht wurde aschfahl, und ihre violetten Augen glühten fiebrig, während sie auf Luciens Bestätigung wartete.
»Ja, sie ist endlich vernünftig geworden und hat klug gehandelt.« Lucien stutzte. Jetzt hatte er ihre glänzenden Augen und die hektischen Flecken auf ihren schmalen Wangen bemerkt.
Ihr Atem rasselte, und sie bekam kaum Luft.
»Du bist krank. Versuchst du, dich umzubringen?« fragte er mit frostiger Stimme, wütend, weil sie so elend aussah.
»Das wäre ein Segen. Meine eigene Schwester ein Verräter.
Wie konnte sie nur?« wiederholte Sabrina. Lucien war für einen Augenblick vergessen.
»Sie liebt dich und macht sich Sorgen, was mit dir passiert.
Deshalb hat sie das Richtige getan und es mir erzählt. Sie weiß außerdem, daß deine Eskapade sinnlos ist, der Marquis ist bereits mit einer großzügigen Abfindung von mir nach Europa abgereist«, sagte Lucien und versetzte ihr den letzten Dolch-stoß.
Sabrina zerknüllte das Stück Papier und ließ es fallen. »Du«, sie lachte, »du hast mir nichts als Ärger gebracht.«
»Den Ärger hast du dir selbst gemacht, Sabrina. Nach dem, wie du dich gestern nacht benommen hast, hätte ich den Kerl abdrücken lassen sollen.«
»Schön, daß hätte uns allen eine Menge Zeit und Ärger erspart«, erwiderte Sabrina mit erstickter Stimme, »nur müßtest du dir dann die Mühe machen, eine andere unwillige Braut zu suchen, und die Zeit läuft dir davon.«
»Das stimmt. Ich brauche dich, Sabrina. Aber ich möchte auch, daß du mir eine Weile ausgeliefert bist. Du brauchst eine Lektion in höflichen Manieren und schicklichem Benehmen für wohlerzogene junge Frauen. Ich werde es genießen, dir ein paar Sachen beizubringen, kleine Sabrina«, sagte Lucien grausam höhnisch. Er verlor allmählich die Geduld, weil sie ihn immer noch so verächtlich ansah.
»Leider, Euer Gnaden, fürchte ich, bin ich nicht mehr in der Lage, neue Kunststücke zu Eurem Vergnügen zu lernen.« Während sie redete, glitt Sabrinas Hand unauffällig zu ihrer Pistole, den Körper hatte sie leicht
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