Geliebte Suenderin
glaube nicht. Sie war so wütend und so in ihrem Stolz gekränkt, weil sie dachte, ich hätte sie zum Narren gehalten. Sie hätte auf niemanden gehört, am allerwenigsten auf mich.«
»Aber sie liebt dich. Ich habe euch nach eurer Hochzeit oft zusammen gesehen, und ihr wart sehr glücklich.«
»Das war, weil wir neu angefangen hatten, ohne die Mißverständnisse oder die schmerzlichen Erinnerungen an die Vergangenheit, die nur die Beziehung ruinierten. Und damals habe ich mich wirklich in Sabrina verliebt. Ich hatte sie schon früher begehrt - aber daraus ist etwas Stärkeres und Tieferes geworden«, gab Lucien leise zu. »Es war eine völlig neue Erfahrung für mich, und ich nehme an, dank meiner Unerfahrenheit habe ich Sabrina falsch behandelt.«
»Warum, um Himmels willen, hast du ein Jahr verstreichen lassen, ohne Sabrina die Wahrheit zu sagen? Du behandelst sie schrecklich und hättest dir ja denken können, daß sie in Schwierigkeiten gerät, wenn sie sich selbst überlassen ist.«
»Ich wollte ihr Zeit geben, sich zu beruhigen und ihren verletzten Stolz auszuheilen. Ich hoffte, sie würde die alten Wunden vergessen und glaubte, sobald Rhea geboren war, wir könnten noch einmal von vorne anfangen. Aber so wie die Monate verstrichen, verstrichen auch die Chancen, irgend etwas zu ändern.
Ich war noch nie in irgendeiner Beziehung feige - zumindest nicht bis zu diesem Zeitpunkt. Ich stellte fest, daß ich unfähig war, Sabrina offen gegenüberzutreten. Ich konnte nicht riskieren, sie ganz zu verlieren. Und dann habe ich unter dieser Bela-stung die Nerven verloren, bin davongestürmt und war somit nicht da, als sie mich brauchte.«
»Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen, Lucien. Keiner konnte wissen, daß so etwas passieren würde.«
»Mary schon«, erinnerte ihn Lucien.
»Und trotzdem ist es passiert«, erwiderte Terence. »Ich wünschte bloß, wir wüßten mehr darüber.«
Am nächsten Morgen kamen sie nach einem dreistündigen Ritt zu einem kleinen Dorf. »Timere«, sagte Terence, und Luciens Augen glänzten erwartungsvoll. In der Ferne war ein Ge-birgszug zu sehen und die schimmernde Oberfläche eines Sees.
Terence warf einen Blick auf Lucien und bemerkte den ver-kniffenen Mund und die entschlossene Haltung. Er sah hager und hungrig aus, wie er so die Allee entlang zum Dorf ritt.
Die beiden entdeckten gleichzeitig die Kutsche des Herzogs, die gerade von den Lakaien vom Schlamm der langen Reise befreit wurde. Sie hoben die Köpfe beim Klang des Pferdegetrappels, und als sie den Herzog erkannten, liefen sie freudig überrascht auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Sie nahmen Lucien und Terence die Pferde ab, nachdem sie abgestiegen waren.
»Wir sind vielleicht froh, Euch zu sehen, Herzog«, sagte der Kutscher, der etwas gesetzteren, aber doch hastigen Schrittes näher kam, um den Herzog zu begrüßen.
»George«, begrüßte ihn der Herzog, »du scheinst ja eine ganz schöne Reise hinter dir zu haben.«
»Das kann man wohl sagen, Euer Gnaden, und wenn ich das sagen darf, die Kutsche hat sich sehr gut bewährt.«
»Gut, ich nehme an, Ihrer Gnaden war das eine große Erleichterung. Kümmere dich darum, daß unsere Pferde gut versorgt werden, George, wir haben sie hart rangenommen«, befahl Lucien und machte sich auf den Weg in den Gasthof.
»Ah, Euer Gnaden«, rief George hinter ihm her und lief ihm nach.
Lucien drehte sich zu ihm um und sah ihn fragend an. »Ja, was gibt’s?«
»Ja, also, es ist wegen Ihrer Gnaden«, platzte George heraus.
Lucien runzelte die Stirn. »Was ist denn? Ich nehme doch an, sie ist im Gasthof? Sie ist doch nicht etwa krank, oder?« fragte er besorgt.
»Ja, also, um die Wahrheit zu sagen, Euer Gnaden, sie ist nicht hier.«
Lucien sah Terence an, der aufmerksam den Worten des Kutschers lauschte. George leckte sich nervös die Lippen, als Lucien fragte: »Wo ist sie?«
»Sie und der junge Herr sind gestern morgen ausgeritten und noch nicht wieder zurückgekommen. Sind wahrscheinlich irgendwo vom Nebel überrascht worden. Es tut mir schrecklich leid, Euer Gnaden, wir wollten mitreiten, aber Ihre Gnaden hat sich geweigert, uns mitzunehmen und uns befohlen hierzublei-ben«, entschuldigte er sich. »Wir sind schon mal die Gegend abgeritten, haben aber keine Spur von ihr oder dem Jungen gefunden.«
»Danke, George, du hast getan, was in deiner Macht stand.«
Lucien drehte sich auf dem Absatz um und schritt festen Trittes in den Gasthof, gefolgt von Terence. Der Wirt
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