Geliebte Suenderin
vorsichtig die schlammige Straße, rutschte einmal kurz aus, worauf die Contessa sich noch enger an seinen Hals klammerte. Lucien roch ihr betörendes Parfüm und grinste, als sie sich fester an ihn drücken ließ.
»Grazie«, murmelte sie, und ihr Atem war ein warmer Hauch auf seinem Hals.
»Es war mir ein Vergnügen, Contessa.«
Er hob sie in die Kutsche, hüllte sie fest in ihren pelzverbrämten Umhang und legte ihr eine Zobeldecke über den Schoß.
Lucien wollte ihr gerade ins Innere folgen, als ein ängstliches Geheul aus der umgestürzten Kutsche ertönte, gefolgt von einem spitzen Schrei und einem aufgeregten italienischen Wort-schwall.
»Dio mio, ich hab’ die arme Maria, meine Zofe, vergessen«, ereiferte sich die Contessa. »Und ich kann sie doch nicht einfach hier zurücklassen, sie kann kein Englisch.« Flehend sah sie den Herzog an.
Lucien hob resigniert die Schultern. »Selbstverständlich braucht Ihr Eure Zofe, Contessa.« Er drehte sich um und befahl einem seiner Diener, sich um die andere Frau zu kümmern. Ein lauter, erboster Schrei ertönte, der Herzog schaute hoch und lachte, als er Sandy über die Straße stolpern sah, unter der Last einer dicken, strampelnden Frau gebeugt, die mit rotgeweintem Gesicht den Diener beschimpfte. Kurz vor der Kutsche verschwand Sandys Fuß in einem großen Loch voller Wasser, er verlor das Gleichgewicht, fiel nach hinten und verschwand unter den üppigen Massen Marias.
Lucien half der erzürnten Frau hoch und hievte sie in die Kutsche, von der aus sie eine Schimpfkanonade auf den unglücklichen Sandy losließ, der sich schleunigst hochrappelte und sich so weit wie möglich von der Kutsche entfernte, mit puterrotem Gesicht, den ganzen Rücken voller klebrigem Schlamm.
»Maria, silenzio!« befahl die Contessa streng, aber ihre Stimme zitterte etwas vor Lachen.
Nach kurzer Beratung mit seinem Kutscher stieg Lucien in die Kutsche, schloß die Tür und machte es sich neben Lord Wrainton bequem.
»Die Achse ist gebrochen, Ihr könnt also keinesfalls Eure Kutsche benützen.«
»Das macht nichts, ich hab’ diesen Kutschern sowieso nicht über den Weg getraut. Würde mich nicht überraschen, wenn sie mit den Räubern gemeinsame Sache machen.«
»Dio mio, das fehlt mir noch zu meinem Glück«, murrte die Contessa leise.
»Ich denke, davor brauchen wir keine Angst zu haben«, erwiderte der Herzog gelassen. »Meine Männer sind darauf trainiert, uns zu verteidigen.«
»Dieses Land ist sehr unwirtlich. Ich weiß nicht, warum ich mich von dir habe überreden lassen, es zu besuchen«, sagte die Contessa erschöpft.
»Aber, aber, Luciana, ich verspreche dir, daß London ganz nach deinem Geschmack ist«, beruhigte sie Lord Wrainton.
»Wenn ich recht verstehe, ist das Euer erster Besuch in England, Contessa?« fragte der Herzog.
»Sì, und ich hoffe auch mein letzter. Es ist kein Land nach meinem Geschmack. L’Italia è molto bella, aber dieses Land, ach«, sagte sie angewidert und warf die Arme in die Luft.
Lucien lachte. »Nur ein Engländer kann England lieben.
Wenn ein Mann in eine Frau verliebt ist, dann übersieht er auch oft ihre Fehler.«
»Ihr gebt also zu, daß England Nachteile hat.« Die Contessa lächelte nachdenklich. »Ich möchte wieder in Venedig sein, in einer schwankenden Gondel«, seufzte sie, als sie zur Seite geworfen wurde, als die Kutsche durch ein Loch fuhr. »Diese Kutschen sind für Narren gemacht.«
»Ich wußte gar nicht, daß Ihr hier in der Gegend Landbesitz habt, Euer Gnaden«, sagte Lord Wrainton neugierig. »Liegen Eure Ländereien denn nicht weiter nördlich?«
»Ja, aber ich sehe mir nur ein kürzlich erworbenes Anwesen an«, erwiderte Lucien. »Ihr scheint die Gegend zu kennen. Habt Ihr hier gelebt?«
»Ich bin hier geboren und aufgewachsen«, vertraute ihm Lord Wrainton an. »Ich habe sogar einen Besitz im nächsten Tal, Verrick House, wenn auch nichts Besonderes. Es ist nur ein kleines elisabethanisches Herrenhaus, und ich habe es seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Wie’s dort jetzt wohl aussieht?« überlegte er.
»Caro, wir könnten diesem kleinen Haus einen Besuch abstatten«, schlug die Contessa vor. Dann wandte sie sich an den Herzog, um ihn aufzuklären: »Ich bin die dritte Frau des Marquis, und ich habe seine Familie noch nicht kennengelernt. Wie viele bambini hast du, caro?« fragte sie mit gerunzelter Stirn.
»Zwei oder drei, n’è vero?«
Lord Wrainton erwiderte mit gleichgültigem Achselzucken: »Drei,
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