Geliebte Suenderin
gerunzelter Stirn und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen.
»Das muß nichts bedeuten. Schau, da ist Licht hinter den Fenstern. Außerdem findet nur ein kleines Fest statt. Die Leute sind noch gar nicht richtig eingezogen, und der Haushalt ist nicht komplett«, beruhigte ihn Sabrina. »Das ist nur gut für uns.
Er, seine Freunde und ein paar Diener. Ein Kinderspiel, was, Will?«
Sie ritten näher ans Haus, sich vorsichtig im Schatten haltend, dann stiegen sie ab und banden ihre Pferde fest. Während sie sich langsam ans Haus heranschlichen, flüsterte Sabrina Will zu: »Du gehst ans Fenster und hältst dich bereit, um auf meinen Ruf hin sofort hereinzukommen. Ich schleiche mich zur anderen Seite, klettere an den Ranken hoch und steige durch das offene Fenster. Dann haben wir sie zwischen uns. Das Fenster hier ist abgeschlossen. Du wirst es zerschlagen müssen.«
»Mir gefällt das nicht. Wir sollten uns nicht trennen. Ich gehe mit Ihnen da rauf. Wir kennen den Grundriß des Hauses nicht, Charlie, und wissen nicht, wer da oben ist. Nein, ich komme mit«, sagte Will eindringlich.
Sabrina schüttelte den Kopf. »Damit wir sie alle alarmieren, wenn du vom Haus runterstürzt? Du glaubst doch nicht etwa, daß diese windigen Ranken dich tragen können? Du bist schwer wie ein Ochse, Will, und machst genausoviel Lärm.
Nein, das ist unser bester Plan. Von der Treppe aus kann ich mir ein Bild von der Lage machen, und dann weiß ich, was wir zu tun haben.«
Sabrina ließ Will an seinem Posten neben dem erleuchteten Fenster, tastete sich vorsichtig zur anderen Seite und kletterte schnell und geräuschlos am Spalier hoch. Sie trat durch das Fenster in das dunkle Zimmer und schaute sich um. Es war ein unbenutztes Schlafzimmer. Sie konnte die Umrisse eines gro-
ßen Himmelbettes und einer Kommode erkennen. Schnell schlich sie durch das Zimmer auf ein schmales Lichtband zu, das unter der geschlossenen Tür durchschien. Sabrina öffnete sie leise und lugte vorsichtig auf einen breiten Gang hinaus, der von mehreren Wandleuchtern erhellt war.
Ihre Schritte hallten leise, als sie den Gang entlangging, und sie bekam eine Gänsehaut. Es war so merkwürdig still, zu ruhig für eine fröhliche, mitternächtliche Party, selbst wenn sie nur Karten spielten. Aber Spielen war eigentlich das einzige, was diese Schnösel ernst nahmen beziehungsweise einigermaßen be-herrschten, dachte Sabrina verächtlich. Ansonsten war ihnen nur noch ihr Aussehen wichtig; eitle Pfauen waren das, der ganze Haufen.
Sabrina mußte bei dem Gedanken an ihre gutgeschnittenen Samtreithosen, den Rock und den Tartanstreifen hinter ihrer Maske grinsen. Sie hatte eine Rolle zu spielen und einen guten Ruf zu verteidigen, und diese Gecken wären sicher sehr enttäuscht, wenn ihre Erscheinung nicht ihren Erwartungen entsprächen.
Sabrina schritt unbekümmert weiter, ihr Schwert und ihre Pistole gaben ihr eine Sicherheit, die sie vor nichts zurückschrek-ken ließ.
Die meisten Möbel waren noch in schützende Staubschoner eingehüllt. Die Dienerarmee, von der Will erzählt hatte, war anscheinend nicht sonderlich fleißig gewesen, dachte Sabrina, als sie sich eine Spinnwebe vom Gesicht wischte.
Die große Empfangshalle war still und voller Schatten, und nur einige verstreute Kerzenleuchter erhellten sie spärlich. Sabrina stieg leise die Treppe hinunter und blieb vorsichtig stehen, als sie Stimmen und Geräusche hinter der Personaltür unter der Treppe hörte. Dann lief sie schnell die letzten Treppenstufen hinunter, schob einen schweren Eichenstuhl vor die Tür und kippte ihn so, daß er unter dem Türknopf eingeklemmt war. Das würde die Diener aufhalten, falls sie die Neugier überkommen sollte. Hinter einer anderen geschlossenen Tür hörte Sabrina Lachen und das Klirren von Gläsern.
Sabrina grinste bei dem Gedanken daran, was sie hinter dieser Tür erwartete, und sie streckte eine behandschuhte Hand nach dem Türgriff aus. Langsam drehte sie ihn mit der linken Hand, in der rechten hielt sie die schußbereite Pistole, dann riß sie die Tür auf und stürmte hinein, um ihre Opfer zu überraschen - aber das Zimmer war leer!
»Suchst du jemanden?« fragte eine zufriedene Stimme.
Sabrina wirbelte herum, und ihr Herz klopfte bis zum Hals, als der narbengesichtige Mann hinter einem Eichenparavent her-vortrat, in jeder Hand eine Pistole, die beide auf ihren Kopf zielten. »Du scheinst überrascht, Bonnie Charlie«, sagte er spöttisch grinsend. »Hast
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