Geliebte Suenderin
und hob seine Hosen und Stiefel vom Boden auf. Er warf noch einen Blick auf die zusammengekauerte Gestalt im Bett und schritt dann mit grimmigem Gesicht aus dem Zimmer, zum ersten Mal in seinem Leben total verunsichert. Nichts war so gelaufen, wie er es geplant hatte. Er hatte gedacht, er könnte das kleine Luder mit süßen Worten umgarnen, und sie hatte einfach schon auf ihn gewartet, mit süßem Lächeln, einladend, mit weichen, begierigen Lippen.
Er hatte seinen Plan, sie zu verführen und ihr ihre Geheimnisse zu entlocken, vergessen und konnte nur noch an ihre klammern-den Arme und die kleinen, runden Brüste denken, die sich an ihn gepreßt hatten. Verdammt, was war da passiert? Wäre er nicht so absolut sicher gewesen, daß dem nicht so war, wäre er überzeugt gewesen, sie hätte ihn verführt.
Sabrina schaute vorsichtig über die Schulter und sah das leere Zimmer. Er war fort. Sie wischte sich mit dem langen Ärmel seines Nachthemdes die Tränen ab und trocknete sich die Augen.
Ihre Angst verebbte allmählich und machte einer völligen Be-nommenheit Platz. Sie holte tief Luft und drückte sich mit zittriger Hand die Schläfen.
Was war mit ihr in seinen Armen passiert? Wie konnte sie einfach alles vergessen, als er sie so eng an sich drückte und ihren Körper mit seinem erforschte? Sabrina biß sich so heftig auf die Unterlippe, daß sie zu bluten begann. Sie wußte genau, was sie vorgehabt hatte. Sie hatte ihn verführen wollen. Es war so leicht gewesen, eine so natürliche Sache, daß sie von seiner heftigen Reaktion total überrascht wurde. Sie hatte nie zuvor versucht, einen Mann zu betören und einfach blind gehandelt. Aber sie hatte die Situation überhaupt nicht unter Kontrolle gehabt. Ihr Verstand war absolut leer gewesen, ein Vakuum, in dem nur noch sein Bild existierte. Sie hatte sich nie träumen lassen, was für unbeherrschbare Gefühle zwischen Mann und Frau entste-hen können.
Sabrina kniff die Augen zu und preßte ihre Hände davor.
Wenn sie doch nur einfach alles vergessen könnte! Alles war jetzt anders. Neue Gefühle waren in ihr erwacht, und sie wußte nicht, wie sie damit umgehen sollte.
Ihr war kalt, und sie warf einen Blick auf das schwelende Feuer, das nur noch schwach glühte. Die hohe Karaffe mit Brandy stand immer noch da, wo sie der Herzog abgestellt hatte.
Sabrina nahm sie und goß sich ein Glas der feurigen Flüssigkeit ein und kippte die Hälfte in einem Zug hinunter. Sie würgte, und es trieb ihr die Tränen in die Augen, aber sie spürte, wie die Wärme ihren kalten Körper durchdrang. Sie deckte sich zu und schlief ein. Aber ihr Schlaf war unruhig und von Alpträumen geplagt.
Das Gesicht ihres Großvaters war kalt und leblos unter ihren Händen und verwandelte sich in eine steinerne Totenmaske. Die traurigen Töne des Dudelsacks riefen sie zurück, als sie versuchte, dem Tod zu entfliehen. Soldaten umringten sie. Wohin sie sich auch wandte, überall waren sie mit ihren scharlachroten Röcken und riefen ihr zu. Sie konnte nicht atmen. Ihre Füße baumelten in der Luft, und sie spürte, wie ihr jemand die Kehle zuschnürte. Alle starrten sie an. Mary, Richard und Tante Margaret, die einen Galgen auf einen Gobelin stickte. Warum wollten sie ihr nicht helfen? Sie streckte die Hände nach ihnen aus, aber sie wandten sich ab.
»Nein! Kommt zurück, ich bin nicht tot! Laßt mich nicht hier, bitte - geht nicht!« schrie sie.
Aber sie hörten ihr Rufen nicht. Sie ließen sie mit dem Henker und den Soldaten allein. Sie verließen sie, drehten ihr den Rücken zu. Sie schrie und schrie, und das Geräusch hallte durch das kalte Schweigen ihres Schlafzimmers.
Hände packten und schüttelten sie, und sie wehrte sich dagegen. Sie durften um keinen Preis ihren Hals berühren. »Bitte hängt mich nicht. Nein! Bitte, ich flehe euch an!«
»Hängen! Hängen! Hängen!« schrie die Menge von Gesichtern erregt.
»Ist schon gut. Du träumst nur, wach auf!«
Sabrina öffnete widerwillig ihre Augen, in denen sich immer noch die Schrecken des Alptraums spiegelten und ließ sich von der freundlichen Stimme ins Bewußtsein zurücklocken.
Lucien saß auf der Bettkante, und über seinem kalten Gesicht lag ein sorgenvoller Zug. Er hielt immer noch ihre Schultern fest umklammert, ohne einen Gedanken an die Wunde, aber sie spürte den Schmerz kaum, nur den Trost. Sein arrogantes Gesicht erschien ihren verängstigten Augen plötzlich ungeheuer lieb. Sabrina hob die Arme, legte sie um seinen
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