Geliebte Suenderin
sicher noch hier sein ...« Er verstummte, als er Sabrinas Gesichtsausdruck sah.
»Sie sind in Verrick House?« fragte sie fassungslos. »Mein Gott!«
»Richard ist zu müde, um noch Tee zu trinken. Ich habe ihn in ein Bett in eines der Ankleidezimmer gelegt«, verkündete Mary, die gerade den Salon betrat. Sie blieb stehen, als sie das betretene Schweigen registrierte, und schaute verunsichert von einem zum anderen. »Was ist denn passiert?« fragte sie resigniert.
»Der Marquis war hier«, informierte sie Sabrina, »und er ist jetzt auf dem Weg nach Verrick House oder vielleicht schon dort.«
Mary ließ sich zitternd aufs Sofa sinken. Sabrina schickte den Majordomus um Tee, stellte sich vor ihre Schwester und sah sie mitleidig an.
»Du hast es gewußt, nicht wahr?«
»Ja«, flüsterte Mary und erklärte stockend mit ängstlichem Blick, »ich habe gewußt, daß etwas Seltsames im Gang war, aber als du verschwunden bist, hab’ ich das, was ich gesehen habe, damit in Zusammenhang gebracht - aber jetzt weiß ich, daß ich mich geirrt habe. Weißt du, ich habe dein Gesicht gesehen. Die violetten Augen, das Grübchen, alles so vertraut und doch anders. Es war nicht ganz richtig, nicht ganz du und doch, wer sonst sollte es denn sein? Jetzt weiß ich es - der Marquis. Du siehst ihm ähnlich, Sabrina, deshalb konnte ich euch beide nicht auseinanderhalten. Es tut mir leid. Wenn ich es dir doch bloß erzählt hätte.«
»Er soll zur Hölle fahren!« verfluchte Sabrina den Marquis mit wütendem Gesicht. »Was sollen wir bloß tun? Wie kann er es wagen, nach so vielen Jahren plötzlich in unserem Zuhause aufzutauchen?«
Sabrina beobachtete kochend vor Wut, wie das Teetablett hereingebracht wurde, wartete, bis sie wieder allein waren und fuhr dann fort: »Ich hasse die Vorstellung, daß er in Verrick House ist. Wir sind diejenigen, die es bewohnbar gemacht haben, uns ein Zuhause geschaffen haben. Er hat kein Recht, dorthin zu gehen.«
Mary goß den Tee in hauchdünne Tassen und reichte Sabrina eine. Sabrina nahm sie dankbar an und trank.
»Es hat keinen Sinn zu toben«, sagte sie nachdenklich, »es wird uns nichts helfen. Aber jetzt müssen wir uns um Richards Brille kümmern und das Haus des Marquis so bald wie möglich wieder verlassen. Ich habe keine Lust, hier zu sein, wenn er zurückkommt, was hoffentlich noch einige Zeit dauert.«
»Es wäre vielleicht sogar klüger, wenn wir uns eine andere Unterkunft suchen würden, bis wir hier alles erledigt haben.« Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Auf keinen Fall können wir nach Hause zurückgehen, wenn der Marquis noch dort ist. Aber wir haben zumindest bis Donnerstag oder Freitag Zeit, dann erst müssen wir fort von hier. Du kannst mir nicht sagen, wie lange das mit Richard dauern wird, oder?« fragte Sabrina.
Mary schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich fürchte nicht, Rina.«
»Dann sollten wir versuchen, ein bißchen zu schlafen, in den nächsten Tagen haben wir nämlich viel zu erledigen. Ich hoffe nur, daß für Richard alles gutgeht, es bedeutet ihm so viel und uns auch.«
In ihren Zimmern warteten bereits einige Zofen, um ihnen beim Auskleiden und den Vorbereitungen fürs Bett zu helfen.
Bettwärmer aus Messing waren in dem riesigen Bett plaziert worden und wärmten die Laken. Sabrina streckte sich erschöpft neben Mary aus.
»Mir ist Holz viel lieber als diese schmuddelige schwarze Kohle«, sagte Sabrina und schaute in die glühenden Kohlen hinter dem Kamingitter.
Mary lächelte in die Dunkelheit. »Du bist eine richtige Land-pomeranze, Rina. Du magst duftendes Apfelholz im Kamin, Hunde, die davor schlafen, und ein nettes Abendessen mit Taubenpastete und hausgemachtem Met.«
Sabrina schnaubte verächtlich. »Taubenpastete, von wegen!
Ich werde Hummer und Champagner und jeden Tag Mandelkä-
sekuchen essen. Und ich werde Satin und Spitze tragen und kein Wollzeug, meinen Körper parfümieren und Diamanten im Haar haben und -«
»- und im goldenen Sechsspänner durch Berkeley Square fahren, mit einer gepuderten Perücke und einem schwarzen Samtunterrock, wenn du dem König vorgestellt wirst«, spann Mary den Nonsensfaden weiter.
Sabrina mußte über diese absurde Vorstellung lachen und merkte, wie sich beim Lachen allmählich ihre Spannung löste.
»Danke, Mary«, flüsterte sie.
Am nächsten Morgen fuhr sie mit Richard in aller Frühe zu ihrer Verabredung mit Dr. Smithson. Richard hatte während des ganzen Frühstücks keine Minute still
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