Geliebte Suenderin
Kutschen mit schreienden Kutschern, die einander recht unflätige Dinge zuriefen, sie aufschreckten.
»Verdammter Verkehr«, fluchte der Marquis, als er die lange Schlange von Kutschen sah, die alle darauf warteten, ihre Fahr-gäste für das Fest abladen zu können.
Die Schlange bewegte sich im Schneckentempo weiter, und es dauerte einige Zeit, bis sie vor dem strahlend hell erleuchteten Eingang des großen Stadtpalais aussteigen konnten und von livrierten Dienern über einen roten Teppich ins Haus geleitet wurden.
Mary nahm Sabrinas Hand, und gemeinsam folgten sie dem Marquis und der Contessa in die überfüllte Eingangshalle, die von zahllosen Kerzen in Kristallüstern erleuchtet war. Auf dem Weg durch das Gedränge begrüßte der Marquis im Vorbeigehen Bekannte. Er lächelte zufrieden angesichts der vielen neugierigen Blicke, die ihnen folgten, als er mit seinen drei schönen Begleite-rinnen die große Freitreppe hinaufging.
»James, mein Schatz«, rief eine juwelenbehängte Frau erfreut, als sie den Marquis sah. »Ich hatte so gehofft, daß du rechtzeitig zu meinem kleinen Ball wieder in London bist.« Ihr neugieriger Blick richtete sich auf die beiden maskierten Frauen, die schweigend neben dem Marquis standen. »Deine Frau, die Contessa, kenne ich ja bereits«, sagte sie und nickte ihr kurz zu, »aber habe ich das richtig gehört? Das können doch wohl nicht deine Töchter sein, Schatz? Ich hatte ja keine Ahnung, daß du eine Familie hast«, bemerkte sie in gespielter Überraschung, und mit einem boshaften Seitenblick auf die Contessa fügte sie spitz hinzu: »Natürlich könnten sie die Töchter der Contessa sein? Ihr seid doch alt genug, nehm’ ich an, um ihre Mutter zu sein?«
Die Contessa lächelte etwas gequält. »Nein, es sind die Töchter von James’ erster Frau, aber ich werde schon bald die Mutter seines Kindes sein«, informierte sie Lady Harrier. Sie machte einen Schmollmund und sagte bedauernd: »Es ist schade, nicht wahr, wenn eine Frau zu alt wird, um ein Kind auszutragen, was?« Sie sah die ältere Frau verständnisvoll an.
Lady Harrier holte tief Luft, und ihr Mund wurde sehr schmal. »Warum habe ich deine Töchter bis jetzt noch nicht gesehen? Du hast sie versteckt, nicht wahr?«
Der Marquis lächelte unschuldig. »Wie könnt Ihr so etwas denken, Lady Jane? Ich habe lediglich auf die passende Gelegenheit gewartet, meine Töchter in die angemessene Gesellschaft einzuführen.« Strahlend vor väterlichem Stolz wandte er sich an seine Töchter: »Erlaubt mir, Euch Mary, meine Älteste und die kleine Sabrina, die nach ihrem Vater schlägt, vorzustellen«, sagte er bescheiden.
Lady Harrier lächelte nachdenklich. »Hmmm, ich sehe, daß dieser Abend ganz außergewöhnlich werden wird, Sie Satan.
Alle meine Gäste, besonders die in Hosen, werden vor Neugier brennen, was sich hinter diesen verlockenden Masken versteckt.«
»Glaubt Ihr wirklich?« fragte der Marquis unschuldig.
Lady Harrier lachte. »Der Teufel hol Euch, James, jetzt geht und sucht ein paar reiche Heiratskandidaten für Eure Töchter.«
Sie gingen weiter, und der Marquis suchte gezielt bestimmte Gesichter aus der Menge heraus und stellte Mary und Sabrina nur ausgesuchten Leuten vor; diejenigen, die er für unter seiner Würde hielt, überging er einfach. Sabrina wurde, ohne es zu wollen, von der Aufregung angesteckt, die Musiker stimmten ihre Instrumente, und ihr kleiner Fuß begann schon im Takt mitzuklopfen. Der Marquis blieb vor einem dicklichen, jungen Mann in hellblauem Brokat stehen und zog Mary und Sabrina näher zu sich. »Euer Gnaden«, begann er kühn, »Ihr habt meine ländlichen Schönheiten, die ihren ersten Besuch in London machen, noch nicht kennengelernt. Mary, Sabrina, der Herzog von Granston. Meine Töchter, Euer Gnaden.«
Sie machten einen höflichen Knicks, der Herzog küßte ihre behandschuhten Hände, und seine blassen Augen funkelten interessiert. »Es ischt mir ein Vergnügen, Ladies«, stammelte er trunken. »Luscht zu tanzen?« Dann packte er, ohne auf eine Antwort zu warten, Mary am Arm und zog sie in die tanzende Menge.
»Teuflisch reich«, flüsterte der Marquis der Contessa zu, mit zufriedenem Lächeln. »Siehst du, wie leicht es sein wird, Luciana? Wir werden reich genug sein, um halb Venedig aufzukau-fen, wenn wir wollen.«
Die Contessa lachte spöttisch. »Es wäre klug, caro, nicht zuviel zu erwarten, zumindest jetzt noch nicht«, warnte sie leise.
»Ja, Mylord«, fügte Sabrina
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