Geliebte Teufelin
die zuständige Staatsanwaltschaft das fo l gende vorläufige Untersuchungsergebnis bekannt: Nach gründlicher Untersuchung des Unfallortes und der Leiche könne man aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Unglücksfall ausgehen. Vermutlich sei Möller mit dem Stativ in der Hand auf den Tisch gestiegen, um aus dieser erhöhten Position einen auf dem Boden liegenden Gegenstand zu fotografieren. Da man bei einer Blutuntersuchung ein starkes Betä u bungsmittel gefunden habe, das er kurz vor dem Unfall eingenommen haben musste, sei er wahrscheinlich aus dem Gleichgewicht geraten und beim Sturz vom Tisch habe sich unglücklicherweise das Stativbein in sein Herz gebohrt. Man müsse allerdings zugeben, dass diese Rekonstruktion des Herganges sehr merkwürdig klinge. Natü r lich könne es auch sein, dass er Opfer eines Mordanschlages geworden sei. Ein St a tivbein als Tatwaffe habe es aber in der Geschichte der Kriminologie noch nie geg e ben, weshalb man die Unfallversion für die wahrscheinlichere halte.
Der Fall verursachte noch längere Zeit einen riesigen Pressewirbel, lediglich Luzia ließ es völlig kalt. Nachdem sie in die Praxis zurückgekehrt war, verabreichte sie Möller ein Wahrheitsserum und „unterhielt“ sich ausführlich mit ihm. Er war sehr gesprächig und wenn er doch mal zögerte, hatte Luzia Mittel und Wege, seine Hemmungen zu beseitigen. Nachdem sie sich eine Stunde lang angehört hatte, was er alles in seinem Atelier getrieben hatte, war sie zu der Überzeugung gekommen, dass die Menschheit in Zukunft auf ihn verzichten sollte. Menschen zu töten war a l len Mitarbeitern der Firma streng verboten, allenfalls konnte man indirekt ein wenig nachhelfen. Luzia sorgte also für einen kleinen „Unfall“, bei dem leider die Stati v bein-Spitze Möller zum Verhängnis wurde. Normalerweise waren die Enden der Beine mit Gummikappen versehen, damit der Boden nicht beschädigt wurde und um ein Verrutschen zu verhindern. „Unerklärlicherweise“ waren diese Kappen aber a b handen gekommen. Zum Glück wusste niemand in der Firma, dass Luzia Möllers Patientin war. Eine Teufelin, die zu einem menschlichen Arzt oder Heilpraktiker ging, war ein absolutes Unding. Ein schlechtes Gewissen hatte sie nicht, nur Petra tat ihr leid. Sie beschloss, sich gelegentlich um sie zu kümmern.
Inzwischen war ein halbes Jahr vergangen, die Presse interessierte sich schon lange nicht mehr für den Fall Möller. Sie war auch ohne Akupunktur Nichtraucherin g e blieben und Petra war immer noch ein hoffnungsloser Fall. Luzia hatte einige Male mit ihr telefoniert, den Kontakt dann aber abgebrochen, weil ihr Petras weinerliche Art und ihr ständiges Selbstmitleid gehörig auf die Nerven gingen. Sie hatte schlie ß lich wichtigere Dinge zu tun, als die barmherzige Samariterin zu spielen.
Nach dieser Geschichte war Luzia gründlich in sich gegangen und hatte schonung s los Selbstkritik geübt. Dabei war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass sie zu sehr positive menschliche Züge entwickelt hatte. Schließlich war sie kein Mensch, so n dern ein Teufel. Sie wollte kein Sensibelchen und Weichei sein, sondern wieder mehr ihrem Idol aus dem Film „Kill Bill“ nacheifern. Gelegenheit dazu hatte sie leider ke i ne bekommen, da sie nur kleinere, unbedeutende Aufträge zu erledigen hatte. Es juckte und brodelte in ihr, sie wollte endlich mal wieder etwas Anspruchsvolles m a chen, so wie damals in ihrer Zeit als Nora Mae. Leider war daran nicht zu denken, ein Job als Schauspielerin war völlig ausgeschlossen. Sie hatte seit damals einen Vermerkt in ihrer Personalakte.
Unter der Rubrik „Mögliche Aufgabenbereiche“ gab es den Eintrag „Verdeckte Op e rationen/ Observationen mit Menschenkontakt“.
Unter „Ungeeignet für“ stand der Eintrag: „In den nächsten fünfzig Jahren keine Jobs in Film und Fernsehen vor der Kamera.“
Das bedeutete das vorläufige Karriereende. Dabei hätte sie so gerne in „Kill Bill 3“ an der Seite von Uma Thurmann gespielt. Ein zufälliges Ereignis bescherte ihr jedoch die Einsicht, dass das wirkliche Leben viel besser und amüsanter sein konnte als j e der Film.
Luzia liebte es, mit der U-Bahn zu fahren, weil man dabei gut Menschen beobachten konnte. Es war manchmal besser als jeder Film, jedenfalls fasst besser – obwohl – es gab nichts Besseres als Filme von Tarantino. Eines Tages hatte sie in der U-Bahn mi t erlebt, wie eine Gruppe von vier Jugendlichen ein Rentner-Ehepaar anpöbelte. Einer der
Weitere Kostenlose Bücher