Geliebte Teufelin
Jungen hatte sich vor den beiden aufgebaut und von ihnen verlangt, aufzustehen und die Plätze freizumachen. Als die beiden nicht reagierten und sitzen blieben, packte er den Mann bei den Schultern, zerrte ihn von seinem Sitz hoch und stieß ihn zur Seite. Dort landete er genau vor Luzias Füßen. Als Luzia sich bückte, um ihm aufzuhelfen, rief ihr der Randalierer zu: „Eh, lass den Dreck liegen, der tritt sisch fest, so wie der aussieht, macht der´s sowieso nisch mehr lange.“
Seine Kollegen fanden diesen Spruch scheinbar zum Brüllen und konnten sich vor Lachen nicht mehr einkriegen. Luzia ließ sich nicht beirren, half dem Mann auf und brachte ihn an seinen Platz zurück.
„Eh, isch hab ges agt, du sollst den Dreck liegen …“
Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, weil Luzia ihn so heftig vor das Bein trat, dass der Knochen laut knackte. Der Junge fiel mit einem lauten Schrei um und riss einer Frau die Einkaufstüten aus der Hand. Eine Milchpackung platzte dabei auf und verspritzte ihren Inhalt über die umstehenden Personen. Ein Riesen-Durcheinander entstand und Luzia nutzte die Gelegenheit, sich blitzschnell hinter einem Mann zu verstecken und ihre Identität zu wechseln.
Eine alte, grauhaarige Frau kam hinter dem Mann zum Vorschein und beobachtete unauffällig die Szene.
Inzwischen hatte die Bahn die nächste Station erreicht und die Türen öffneten sich. Ein Mann, der es offenbar sehr eilig hatte, drängelte sich durch die anderen Fahrgä s te und übersah dabei die Milchpfütze auf dem Boden. Er rutschte aus und riss im Fallen zwei weitere Personen um. Das allgemeine Chaos vergrößerte sich noch durch die Menschenmenge, die von außen in die Waggons drängte. Es war Freitag-Nachmittag und alle Bahnen waren durch den Feierabendverkehr hoffnungslos überfüllt.
Luzia nutzte das Durcheinander, um aus dem Wagen zu schlüpfen. Hinter ihr schaf f ten es zwei der Randalierer, ihrem Kollegen aus der Bahn zu helfen. Luzias Tritt ha t te ihm das Schienbein gebrochen. Er stöhnte bei jeder Bewegung laut auf und sein Gesicht war kreidebleich. Der Vierte verscheuchte zwei junge Türkinnen, die laut schwätzend auf einer Bank saßen. Als ihn seine beiden Kumpel abgesetzt hatten, beugte er sich vor und übergab sich mit lautem Würgen und Husten.
„Alles klar, Kollege?“ , fragte ihn einer der beiden, die ihn gestützt hatten, und packte ihn an der Schulter. Er bekam keine Antwort, sondern sah in zwei glasige Augen. Im nächsten Moment rutschte der Verletzte von der Bank und blieb regungslos liegen. Die anderen Fahrgäste wendeten sich angewidert ab, keiner kam auf die Idee, Hilfe zu leisten. Die meisten taten so, als hätten sie nichts gesehen, nur eine Gruppe von Fußballfans, die gerade auf den Bahnsteig gekommen waren, machte sich lustig. „Euer Freund da hat wohl zu viel gesoffen“, grölte einer laut. „Oder zu wenig, gebt ihm doch noch was…“ Der Rest des Satzes ging im Gejohle der anderen unter. Als die in Rot und Weiß gekleideten Fans in die nächste Bahn stiegen, warf einer von ihnen, kurz bevor sich die Waggontür schloss, eine geöffnete und noch fast volle Bierdose auf den Bahnsteig. Sie landete direkt neben dem Bewusstlosen und der I n halt spritzte in einer hohen Fontäne über ihn und die Umstehenden.
„Guter Wurf, Treffer!“ , war noch zu hören, bevor die Bahn losfuhr. Einen Auge n blick später kamen drei weitere Personen hinzu. Es wird langsam lustig, dachte sich Luzia und betrachtete die Szene aus sicherer Entfernung. Ein Bahnbeamter in Un i form, begleitet von zwei Männern eines Sicherheitsdienstes, deutete mit ausgestrec k tem Arm auf die Störenfriede. Als einer der Gruppe sah, wer auf sie zukam, stieß er die beiden anderen Unverletzten an. „Scheiße, Bullen ! “, die drei rannten los und stießen mehrere Passanten um, wobei einer fast auf die Gleise gefallen wäre, wenn ihn nicht eine unsichtbare Kraft am Kragen gepackt und zurückgehalten hätte.
Luzia folgten den Dreien unauffällig auf ihrer Flucht, für sie war der Fall noch nicht zu Ende. Im Gewühl der Reisenden gaben die Männer des Sicherheitsdienstes schnell die Verfolgung auf, zumal sie sich auch noch um eine größere Horde weiterer Fußballfans kümmern mussten. So schafften es die Jugendlichen, unbehelligt den Bahnhof zu verlassen und in einer nahegelegenen Tiefgarage Zuflucht zu finden. Sie suchten sich eine menschenleere Ecke, um zu verschnaufen. Das war die Gelegenheit für Luzia,
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