Geliebte Widersacher 03 - Zaertlicher Winter
kannte den Namen der Krankheit nicht, die sie hatte, aber er erkannte die Symptome. Ein Mann, der seine Stute niemals zweimal direkt hintereinander decken lassen würde, um ihre Gesundheit nicht zu gefährden, würde binnen Wochen nach dem Kindbett wieder seiner Frau beiwohnen. Er würde seinen Samen auf einem Feld ausbringen, das jahrelang nicht hatte brach liegen dürfen, und wie bei einem ausgelaugten Ackerboden würde die Frau darunter leiden und immer schwächer werden. Ihr Rücken wurde gebeugt, ihre Haut veränderte sich. Ihre Augen wurden gelb. Ihr fielen die Zähne aus, und Knochen, die einmal stark und kräftig gewesen waren, brachen bei dem leichtesten Sturz auf eisigem Straßenpflaster. Ein Kind auszutragen war eine große Anstrengung für den Körper einer jeden Frau, und acht Kinder, im Abstand von immer nur zehn Monaten geboren, ließen einer Frau keine Möglichkeit, sich zu erholen.
Doch jedes Mal, wenn er versuchte, das jemandem begreiflich zu machen, hatte er feststellen müssen, dass Frauen nicht gerne mit Zuchtstuten oder Äckern verglichen wurden – und das unabhängig davon, wie zutreffend der Vergleich war.
Was ihre Männer anging – ein brachliegender Acker verriet offenkundig nichts über die Manneskraft. Aber eine Frau, die ein Kind nach dem anderen auf die Welt brachte, lieferte die lebenden Beweise, die man vor seinen Geschlechtsgenossen aufmarschieren lassen konnte. Seht mich an! Ich bin ein Mann!
„Das, woraus Babys gemacht werden, kommt aus Ihrem eigenen Körper, Mrs. Hall.“ Er richtete sich auf und legte sein Stethoskop weg. „Wenn das Baby das Material für Knochen braucht, dann kommt das von Ihnen. Wenn es das Material für Haut braucht, so kommt das ebenfalls von Ihnen. Es gibt einen Grund, warum Sie Ihre Zähne verlieren, Mrs. Hall.“
Sie schaute weg.
„Sie müssen eine Pause machen mit dem Kinderkriegen. Dieses Baby wird sie wahrscheinlich nicht umbringen, aber das nächste vielleicht schon.“
Mrs. Hall blickte zu Lydia, die Apfelsinen an die Kinder verteilte. Sie senkte ihre Stimme. „Und wie soll ich sie alle durchfüttern, wenn ich mir Zeit nehme, mich auszuruhen? Ich weiß, für jemanden wie Sie sehen sie vermutlich nach nichts Besonderem aus, aber mir sind sie lieb und teuer.“ Ihre Stimme stockte.
„Wie wollen Sie sie denn ernähren, wenn Sie sterben?“, entgegnete er. „Es ist nicht die Frage ob, sondern nur wann, Mrs. Hall. Es wird geschehen. Sie bekommen zu wenig zu essen. Irgendwann bald wird ein Kind unterwegs sein, und seine Entstehung wird Ihre Kräfte übersteigen. Wenn Sie leben wollen, wenn Sie gesund bleiben wollen für Ihre Kleinen, dann müssen Sie aufhören, Kinder zu kriegen.“
Lydia konnte hören, was er sagte, auch wenn sie nicht in seine Richtung schaute. Als Mrs. Hall gesagt hatte, dass ihre Kinder ihr lieb und teuer waren, hatte sie gelächelt und nach unten gesehen. Aber als Jonas sprach, reckte sie ihr Kinn und ihr Lächeln wurde gefährlich.
„Was soll ich denn sonst tun?“, fragte Mrs. Hall.
„Keine Ausflüchte“, antwortete er. „Es gibt einen Weg.“
Und er beugte sich vor und sagte es ihr.
„I CH GLAUBE NICHT, dass Sie sich besonders anstrengen“, teilte Lydia Dr. Grantham mit, als sie gingen. „Genau genommen glaube ich sogar, dass Sie sich überhaupt nicht anstrengen. Sie hat eine liebe Familie und wunderschöne Kinder. Haben Sie bemerkt, dass sie für alle Schuhe hatte?“ Sie hatten aufgereiht an der Tür gestanden, abgetragen, aber sauber. „Das ist ein Zeichen großer Liebe. Ich bin sicher, sie hat es alles andere als leicht, nachdem ihr Ehemann vor Kurzem gestorben ist und sie schwanger ist …“
„Miss Charingford.“ Dr. Grantham schüttelte den Kopf und sah sie an, ein leises Lächeln auf dem Gesicht. „Ihr Mann ist vor fünf Jahren gestorben.“
„Oh.“ Sie schluckte. „Ach je. Aber wird der Mann, der sie in andere Umstände gebracht hat, sie nicht heiraten?“ Sie wusste, während sie das sagte, dass sie sich jetzt wieder naiv gab. Seit fünf Jahren verwitwet? Es mussten wenigstens vier Kinder, die jünger waren, in dem Haus gewesen sein. Wenn der Mann, der der Vater ihrer Kinder war, sie bis jetzt nicht geheiratet hatte, würde er es kaum noch tun.
Aber Grantham machte sie nicht auf diese offensichtlichen Tatsachen aufmerksam. Er sah zu ihr und sagte mit Bedacht: „Es ist wahrscheinlich, dass sie gar nicht weiß, wer es ist.“
Lydia schwieg. Das würde ja bedeuten, dass es … eine ganze
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