Geliebte zweier Welten: Roman (German Edition)
geschlossenen Augen anzusehen.
Sie spürte, wie ihr Herz brach. Er hatte Tränen in den Augen. Und ganz bestimmt hatte er schreckliche Schmerzen.
»Noah hat dir eine Gelegenheit gegeben. Wenn du die Wahrheit gesagt hättest, hätte ihm keiner ein Haar krümmen können«, antwortete Cahal und schaute ihr dabei in die Augen. »Wie dem auch sei, du bist mit Caleb verbunden und …«
»Lass es gut sein, Cahal«, sagte Daanna. »Bitte bringt meinen Bruder weg und lasst uns allein.«
Aileen bohrte ihren Blick in Calebs halb geschlossene Augen und ließ sein Kinn los. Sie brachten Caleb, der sich nur mithilfe seiner Freunde aufrecht halten konnte, fort. Sie wollte ihn begleiten.
Daanna warf ihren Kopf nach hinten und massierte sich den Nacken.
Aileen täuschte Gleichgültigkeit vor, als sie fragte: »Werdet ihr ihn heilen?«
»Spar dir diesen Tonfall mit mir«, lautete die ernste Antwort. »Mein Bruder hat das für dich getan, weil er glaubte, er hätte es so verdient, und weil er deine Vergebung wollte. Hast du ihm vergeben?«
»Ich weiß nicht, ob …«
»Hör mir gut zu, Aileen. Wir Vanir sind nicht das, was du glaubst. Caleb hat sich bei dir getäuscht und beschlossen, sich heute dafür bestrafen zu lassen. Vor allen«, betonte sie. »Du verstehst nicht, was das bedeutet. Durch einen Berserker und vor dem Rat und den Klans erniedrigt zu werden … Das kannst du nicht verstehen. Aber mein Bruder hat sich heute wie ein fairer Mann verhalten.«
»Nein, das will ich nicht hören. Ihr seid allesamt Barbaren. Immer bringt ihr die Dinge auf diese Weise in Ordnung.«
Daanna senkte die Stimme, als sie sanft fortfuhr: »Verurteile uns, wenn du uns kennst. Lass dich nicht von diesem Irrtum leiten, den er begangen hat.« Sie wischte eine Träne von Aileens Wange. »Wann immer du über etwas reden möchtest, wenn du Lust hast und bereit bist, uns kennenzulernen, dann kannst du auf mich zählen und zu mir kommen.« Lächelnd strich sie ihr über das Kinn.
Aileen konnte nicht mehr tun, als wie ein kleines Mädchen zu nicken und ihr für diese Geste dankbar zu sein.
»Ich weiß, dass es heute sehr hart für dich war.«
»Das war es«, schluchzte Aileen. »Alles ist so fremd.«
»Ich biete dir meine Freundschaft, Aileen. Nimmst du sie an? Ich kann dir helfen, dich besser in der Welt deines Vaters zurechtzufinden. In deinem neuen Leben.«
»In welchem Leben?«, schrie sie frustriert. »In diesem Leben?« Sie zeigte auf ihre Augen und ihre Eckzähne.
»Es gibt Leben in der Nacht, Aileen«, erwiderte sie gerührt. »Es gibt Schönheit und Gerechtigkeit. Und du bist ein Teil davon.«
»Das ist … Ich habe schreckliche Angst …«, gab sie unumwunden zu.
Daanna lächelte und legte ihr die Hände auf die Schultern.
»Ich vermute, dass wir einem Angst einjagen können.«
»Das tut ihr«, entgegnete die junge Frau. »Aber dein Bruder ist der Schlimmste von allen.«
Sie hatte Angst vor Caleb. Weder Menw noch Cahal oder Daanna und noch nicht einmal Beatha oder der unsympathische Samael konnten sie so sehr einschüchtern wie Caleb. Er war der Einzige, bei dem sie sich durch all das, was er in ihrem Innersten geweckt hatte, schwach und verletzlich fühlte. Durch die Sehnsucht, die in ihr aufstieg, wenn sie in seiner Nähe war.
»Es ist ganz normal, dass du dich so fühlst. Willst du, dass wir jetzt darüber sprechen?«, fragte Daanna.
»Nein, ich fühle mich nicht wohl.«
Natürlich fühlte sie sich nicht wohl. Ihr Verlangen, Caleb zu sehen, war so irrational wie verzweifelt, dass es nicht logisch, nicht normal war. Und am schlimmsten war, dass er gerade gegangen war.
Als sie sein Gesicht angefasst hatte, hatte sie Elektrizität in ihren Händen wahrgenommen. Wärme in der Brust, Hitze im Bauch. Sie war davon überzeugt, dass etwas mit dem Vanir geschah, denn das sagten ihr ihre Instinkte.
Der Geruch seines Blutes erregte sie wie nichts anderes auf der Welt, seine Stimme dominierte sie, versetzte sie in eine unkontrollierbare Trance des Verlangens nach ihm, nach seiner Haut, seinem Körper. Bei niemandem sonst fühlte sie sich so. Noch nie zuvor hatte sie so gefühlt.
»Morgen halten wir in Birmingham Wache. Die Nosferaten und die Wolflinge greifen häufig dort an.«
»Das weiß ich, das hat mir mein Großvater gesagt.« Rasch trocknete Aileen ihre Tränen.
»Dort ist abends ziemlich viel los. Wenn du Lust hast zu reden … dann könntest du die Berserker auf ihrer Wache begleiten. Und solange es keine Vorfälle gibt,
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