Geliebter Barbar
sagen«, gab sie statt dessen zurück.
»Was ist es?«
»Versprichst du, daß du möglichst nicht böse wirst?«
»Wann bin ich wegen dir schon einmal wütend geworden?« fragte er, ohne sich an all die Nächte zu erinnern, in denen er sie zornig angegriffen hatte. »Jetzt sag mir, was dich quält, Judith. Ich werde während deiner Beichte lächeln.«
Sie nickte und faltete die Hände in ihrem Schoß. »Jeden Sommer haben Tante Millicent und Onkel Herbert mich mit zu den Spielen an der Grenze genommen. Onkel Herbert hat Verwandte dort.«
»Ich weiß«, bemerkte Onkel Tekel. »Gib mir den Kelch da, und fahre fort. Ich will wissen, warum du mir das mit dem Fest bisher verheimlicht hast.«
Judith sah zu, wie Onkel Tekel einen großen Schluck aus dem Kelch nahm und sich sofort neu einschenkte. Der Kloß in ihrem Hals verstärkte sich.
»Millicent hielt es für besser, wenn ich dir und Mutter nichts sagte. Sie meinte, ihr würdet euch Sorgen machen, wenn ihr wüßtet, daß ich mit Schotten verkehre.«
»Damit hatte sie gewiß recht«, sagte Tekel und nahm wieder einen großen Schluck. »Ich billige normalerweise solchen Haß nicht, aber ich sage dir, deine Mutter hat gute Gründe, so zu empfinden. Natürlich kann ich nachvollziehen, was für eine schöne Zeit du gehabt haben mußt. So alt bin ich schließlich auch noch nicht. Dennoch muß ich es jetzt verbieten. Du wirst nicht mehr zur Grenze gehen.«
Judith holte tief Luft und versuchte, ihren aufkommenden Zorn zu beherrschen. »Als ich das erste Mal bei den Spielen war, lernte ich ein Mädchen, Frances Catherine Kircaldy, kennen. Wir mochten uns auf Anhieb, und jedes Jahr trafen wir uns wieder, bis Frances Catherine heiratete und von der Grenze wegzog. Ich gab ihr ein Versprechen, und die Zeit, es einzulösen, ist nun gekommen. Ich werde für eine Weile fort sein«, schloß sie. Die letzten Worte kamen leise und zaghaft.
Ihr Onkel starrte sie mit blutunterlaufenen Augen an. Es war offenkundig, daß er ihrer Erklärung nicht ganz folgen konnte.
»Was soll das?« fragte er. »Wohin willst du denn gehen?«
»Vielleicht sollte ich dir erst von dem Versprechen erzählen, das ich ihr mit elf Jahren gab.« Sie wartete aufsein Nicken, bevor sie fortfuhr. »Frances Catherines Mutter starb während der Geburt ihres Kindes. Und ihre Großmutter ebenfalls.«
»Das ist nichts Außergewöhnliches«, murmelte Tekel. »Viele Frauen sterben in Erfüllung ihrer Pflicht.« Judith gab sich Mühe, diese Gefühllosigkeit zu ignorieren. »Vor einigen Jahren erfuhr ich dann von Frances Catherine, daß ihre Großmutter erst in der Woche nach der Geburt starb. Und das machte uns Hoffnung.«
»Warum machte euch das Hoffnung?«
»Weil ihr Tod dann nicht mit einem zu schmalen Becken zusammenhängen konnte.«
Judith war sich bewußt, daß ihre Erklärung in falsche Bahnen geriet, aber Tekels finsterer Gesichtsausdruck störte ihre Konzentration.
Tekel hob die Schulter. »Sie ist immer noch bei der Geburt gestorben«, sagte er und setzte hinzu: »Du solltest dich wirklich nicht mit solch unschicklichen Einzelheiten beschäftigen!«
»Frances Catherine glaubt, daß sie sterben muß«, gab Judith zurück. »Deswegen beschäftige ich mich damit.«
»Erzähl mir von dem Versprechen«, befahl er. »Aber schenk mir vorher noch etwas von dem süßen Ale ein.«
Judith leerte den zweiten Krug in seinen Kelch und sagte: »Frances Catherine bat mich, zu ihr zu kommen, wenn sie ein Kind erwarten würde. Sie will mich an ihrer Seite haben, wenn sie sterben muß. Ich sagte natürlich sofort zu. Und jeden Sommer versprach ich ihr wieder, daß ich meine Zusage einhalten würde. Ich will nicht, daß meine Freundin stirbt«, setzte sie hinzu. »Aus diesem Grund habe ich so viel wie möglich über die neusten Geburtsmethoden gelernt. Tante Millicent war mir dabei eine wundervolle Hilfe. In den letzten zwei Jahren hat sie mich zu vielen gestandenen Hebammen gebracht, die ich befragen konnte.«
Onkel Tekels Gesicht hatte sich verdüstert. »Fühlst du dich etwa als Beschützerin dieser Frau, Judith? Wenn Gott sie zu sich holen will, lädst du eine große Schuld auf deine Seele. Du bist nur ein kleines Nichts, und doch hältst du dich für wichtig genug, dich in Gottes Willen einzumischen!« Seine Stimme war voller Hohn.
Judith wollte nicht mit ihm streiten. Sie war an seine Kränkungen schon so gewöhnt, daß sie nicht mehr zu ihr durchdrangen. Darum schloß sie ihre Augen, holte tief Atem und fuhr
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