Geliebter Barbar
Augen machte ihre Unaufmerksamkeit ihm gegenüber mehr als wett. O Herr, wie sehr hatte er ihr Lachen vermißt. Ein Teil von ihm hätte die Engländerin am liebsten selbst in den Arm genommen, nur um ihr klarzumachen, wie sehr er ihre Treue zu schätzen wußte.
Er mußte noch weitere Minuten warten, bis seine Frau sich daran erinnerte, daß er auch noch da war. Beide Frauen redeten zur gleichen Zeit, fragten und antworteten auf ihre eigenen Fragen und schufen ein heilloses, aber glückliches Durcheinander.
Iain freute sich wie Patrick über das Zusammentreffen. Außerdem war er tatsächlich überrascht: Er hatte bis zu diesem Moment nicht gewußt, daß Frauen untereinander auch echte, verläßliche Freundschaften schließen konnten. Das starke Band zwischen Judith und Frances Catherine war unverkennbar. Es faszinierte ihn. Von Judith wußte er, daß die beiden Freundschaft geschlossen hatten, als sie zu jung waren, um zu erkennen, daß sie sich eigentlich hassen sollten. Und er mußte feststellen, daß er sie noch viel mehr dafür bewunderte, sich gegenseitig die Freundschaft und Treue über all die Jahre hinweg erhalten zu haben – auch nachdem sie ihre Lektionen in Mißtrauen und Haß gelernt hatten.
Judith fand zuerst wieder zur Etikette zurück. »Wir haben so viel aufzuholen«, sagte sie. »Aber jetzt muß ich Iain und seinen Männern danken, daß sie mich hergebracht haben.«
Frances Catherine nahm ihre Hand. »Zuerst möchte ich dich meinem Mann vorstellen«, sagte sie, drehte sich um und lächelte Patrick an. »Das ist Judith.«
Patricks Lächeln war dasselbe wie Iains. »Das dachte ich mir schon«, sagte er zu seiner Frau. »Ich freue mich, dich kennenzulernen, Judith.«
Sie hätte brav vor ihm geknickst, wenn Frances Catherine ihre Hand losgelassen hätte. So aber lächelte sie nur. »Und ich freue mich, hier zu sein. Danke für die Einladung.«
Ihr Blick suchte Iain. Er hatte die Zügel genommen und lenkte sein Pferd in Richtung Stallung. Sie versprach Frances Catherine, gleich zurückzukommen, und eilte hinter dem Clansherrn her. »Iain, bitte warte«, rief sie. »Ich wollte dir danken!«
Er hielt nicht an, warf jedoch einen Blick über die Schulter zurück, nickte kurz und ritt dann weiter. Judith dankte Alex, Gowrie und Brodick, als sie an ihr vorbeikamen, doch sie reagierten genauso. Distanziert, barsch.
Judith versuchte sich einzureden, daß sie nicht mehr hätte erwarten dürfen. Die vier hatten ihre Pflicht getan und waren sie endlich los. Sie behielt ihr Lächeln bei, als sie sich umdrehte und zurückging. Als sie an einer Gruppe Frauen vorbeiging, fing sie ein Flüstern auf: »Lieber Gott, man könnte meinen, sie sei Engländerin. Aber das kann doch nicht sein, oder?«
Wenn Judiths Kleider sie nicht schon verraten hätten, dann hatte es gewiß ihr Akzent getan.
Ohne innezuhalten, warf sie den Frauen ein Lächeln zu. »Aye, ich bin Engländerin.«
Der einen Frau fiel tatsächlich die Kinnlade herab. Judith hätte gerne gelacht, aber sie unterdrückte den Wunsch. Sicher wäre es furchtbar unhöflich gewesen, Belustigung über die offensichtliche Verwirrung zu zeigen.
Als sie ihre Freundin erreichte, bemerkte sie: »Jeder hier scheint meine Anwesenheit aufregend zu finden.« Frances Catherine kicherte, aber Patrick, der ihre Feststellung für ernst gemeint hielt, reagierte genau andersherum: »Judith, ich glaube nicht, daß ›aufgeregt‹ der richtige Ausdruck ist. Tatsächlich möchte ich wetten …«
Er sah hilfesuchend seine Frau an. Wie konnte man die Wahrheit erträglicher klingen lassen? Frances Catherine stand ihm jedoch nicht bei: Sie lachte noch immer!
Judith schenkte Patrick ein Lächeln. »Wäre ›entsetzt‹ der richtige Ausdruck?«
»Nay«, sagte Frances Catherine. »Eher ›empört‹, ›angewidert‹, vielleicht …«
»Genug!« unterbrach Patrick mit einem ärgerlichen Knurren. Seine Augen funkelten zornig. »Du hast dich also gerade über mich lustig gemacht, als du sagtest …«
Judith nickte. »Ja, das habe ich. Ich weiß, daß ich nicht willkommen bin: Iain hat mich gewarnt.«
Bevor Patrick etwas erwidern konnte, rief ihn ein älterer Krieger herüber. Er verbeugte sich vor Frances Catherine und Judith und ging dann zu der Gruppe Männer, die nahe den Stufen vor dem Gebäude standen. Frances Catherine hakte sich bei Judith ein, und sie gingen die Böschung hinunter.
»Du bleibst bei Patrick und mir«, erklärte sie. »Es wird etwas eng werden, aber ich
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